04.06.2016

Johann Heinrich von Bernstorff

Johann Heinrich Graf von BernstorffJohann-Heinrich 'Hanns' Andreas Hermann Albrecht Graf von Bernstorff


* 1862 - † 1939

Jurist, Diplomat


Er war der Ehemann von Jeanne Luckemeyer, der Tochter von Eduard Luckemeyer, der Nichte von Mathilde Wesendonck. In der Familie wurde er auch Hanns genannt.


Er wurde am 14.11.1862 in London als Sohn eines deutschen Diplomaten geboren. Er entstammt aus dem gleichnamigen Stammhaus und gehört zum Mecklenburgischen Uradel. Er war der Sohn des damaligen preußischen Gesandten in London, externer Wiki-Link Albrecht Graf von Bernstorff (* 22.03.1809, Dreilützow - † 26.03.1873, London, Großbritannien), und der jüngere Bruder von externer Wiki-Link Percy Graf von Bernstorff (* 17.06.1858, London, Großbritanien - † 18.12.1930, Preetz).
Die Höhere Schule besuchte er in Ratzeburg in Holstein. 
Er studierte und promovierte an der juristischen Fakultät der Columbia Universität in den USA. 1881 wurde er Offizier bei der Artillerie und Gardeoffizier und wechselte 1889 in den diplomatischen Dienst über.

Am 14.11.1887, an seinem 25. Geburtstag, heiratete er in Berlin die Deutsch-Amerikanerin Jeanne Luckemeyer.

1890 begann er seine diplomatische Karriere als Attaché an der Kaiserlichen Botschaft in Konstantinopel. 1892 wurde er Legationssekretär der preußischen Gesandtschaft in Belgrad und 1894 in Dresden. 1896 wurde er Zweiter Sekretär an die Kaiserliche Botschaft in St. Petersburg und war ab Oktober 1897 Legationssekretär an der Preußischen Gesandtschaft in München. 1902 wurde er deutscher Botschaftsrat in London und ab 1906 Generalkonsul in Kairo (Marokkokrise). Er vertrat die Meinung, dass sich Deutschland die "Politik der freien Hand" nicht länger leisten kann.
Trotz seiner aristokratischen Abstammung galt er als ein politischer Demokrat. Er war ein einflussreicher Diplomat und später außenpolitischer Berater des Reichskanzlers externer Wiki-Link Bethmann Hollweg (1909 - 1917; * 1856 - † 1921). 
Von 1908 bis 1916 vertrat er als Nachfolger des externer Wiki-Link Barons von Sternburg das kaiserliche Deutschland in externer Wiki-Link Washington (Erreichung eines Verständigungsfriedens, externer Wiki-Link Lusitania-Affäre 1915). Als Botschafter in den USA unterstützte er die Friedenspolitik Bethmann Hollwegs (Möglichkeit einer Friedenskonferenz).
Ich ... mußte meine Aufgabe darin sehen, die diplomatischen Beziehungen mit den Vereinigten Staaten aufrechtzuerhalten. Ich war überzeugt, daß wir den Krieg verlieren müßten, wenn Amerika gegen uns einträte. So wurde es mehr und mehr für mich zur obersten Maxime, dies zu verhindern. ... Die von mir vertretene Politik versprach nicht nur den negativen Erfolg, Amerika aus dem Krieg fernzuhalten, sondern bot auch die einzige Aussicht, mit neutraler Hilfe einen Verständigungsfrieden herbeizuführen. [1]
Seit der externer Wiki-Link Marneschlacht 1914 glaubte er nicht mehr an einen Sieg der Deutschen und trat verstärkt für einen Kompromißfrieden ein und bestärkte Präsident externer Wiki-Link Wilson (* 1856 - † 1924) in seiner Neutralitäts- und Vermittlungspolitik.

Untergang der Lusitania am 7. Mai 1915
Untergang der Lusitania am 7. Mai 1915. The Sphere, May 15th, 1915.
1.200 Menschen verloren ihr Leben. Der deutsche U-Boot-Kommandant, Walther Schwieger, ließ ohne Vorwarnung
zivile Schiffe angreifen, der erdfahrene englische Kapitän der Cunard-Linie wollte das trotz Warnungen nicht glauben.

  Er hat oft davor gewarnt, dass der Kurs seiner Regierung die Vereinigten Staaten in den Krieg führt.
My task was done when the Lusitania incident was disposed of without Americas entry into the war. After that, the question of peace or war depended not upon me, but upon the Wilhelmstrasse and the great army headquarters. They knew exactily that a repetition of the Lusitania incident or the unlimited extension of submarine warfare would automatically mean war with the United States. But they would not listen.  [2]
Wohl hängen diese fast ausnahmslos mit inniger Liebe an ihrer alten Heimat, aber sie sind Amerikaner, ebenso wie alle anderen. "Germania ist unsere Mutter und Columbia unsere Braut." sagte Carl Schurz und charakterisierte mit diesen Worten die Sachlage prägnant und richtig. [3]
Als Botschafter in den Vereinigten Staaten war er ein gefragter Redner und erhielt Ehrentitel von mehreren Universitäten. 1911 wurde ihm die Ehrendoktorwürde der University of Pennsylvania verliehen. 
Bernstorff habe in Washingteon eine ausgezeichnete Arbeit geleistet. In den schwierigsten Situationen habe er Takt und Geschick bewiesen und eine weit über den Erwartungen liegende Energie und Ausdauer. Er habe als Gegner die Witwe Hermann Speck Baron von Sternburgs, seines Vorgängers, gehabt und Bernhard Dernburg, der von vielen Amerikanern und auch Deutschen als der wirkliche Abgesandte Deutschlands angesehen worden sei. Dernburg habe mit seiner ungeheuren Hohlheit und seinem Bestreben, sich in den Vordergrund zu spielen, großes Unheil angerichtet. Er habe sich mit einer Gruppe von unfähigen Günstlingen umgeben gehabt und viele Chancen vertan. Er habe nicht nur den Bemühungen Bernstorffs entgegengearbeitet, sondern sie mehr als einmal zerstört. Es sei höchst unglücklich gewesen, ihn nach Amerika zu senden, und die Konsequenzen hieraus seien verheerend. [4] 
Sein Hauptverdienst war das Hinauszögern des wiederaufgenommenen uneingeschränkten U-Boot-Krieges und des Kriegseintritts der USA, vor allem nach dem Untergang der "Lusitania".
War er vor dem Krieg äußerst beliebt, so war am 01.03.1917, mit dem Erscheinen des Artikels in der New York Times mit dem vollen Wortlaut des Telegramms, der Höhepunkt seiner Unbeliebtheit mit dem Bekanntwerden der externer Wiki-Link "Zimmermann-Depesche" erreicht, die über sein Büro im Januar nach Mexiko weitergeleitet wurde.
Im April 1917, mit Abbruch der diplomatischen Beziehungen wegen der Kriegserklärung der USA an Deutschland (06.04.1917), verließ er Washington und beendete vorübergehend seine diplomatische Karriere. General externer Wiki-Link Ludendorff bezeichnete ihn als zu "rot". [5]
Später wurde er Botschafter in Konstantinopel (Armenier-Genozid).

Nach Kriegsende lehnte er den angebotenen Posten als Außenminister ab und quittierte den aktiven Dienst.
I have seen quite a bit of Count Bernstorff since that time and it is my convinced opinion that he has been shockingly misjudged by the American public. He struggled hard to present the German case to America, he defended measures of which he often disapproved. He was a German and a diplomat and, as a patriot and a representative of his Government, he could not do otherwise than what he did. He might easily have done it much less well; I doubt if anyone cold have done it better. He did his utmost, at decided personal risk, but to no avail, to keep his country from a policy which would bring the United states into the war. In the German Republic he became a leading member of the Demokratische Partei, the party which hold ideals closer to ours than did any Germans political organization. [6]
Bernstorff habe die schwierigen Beziehungen der Deutschen Botschaft zur englischen Presse mit ebensoviel Würde wie Geschick vermittelt. [7]

Er war Ehrenvorsitzender der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei (externer Wiki-Link DDP), die er mitbegründete und von Mai 1921 bis Mai 1928 Abgeordneter des Deutschen Reichstags (Wahlkreis 13 - Schleswig-Hohlstein). Er war Mitherausgeber der Zeitschrift Deutsche Einheit. 1922 wurde er Präsident der Deutschen Liga für den externer Wiki-Link Völkerbund. 1929 wurde er zum Präsidenten des Weltverbandes der Völkerbundligen gewählt. 1926 - 1931 vertrat er Deutschland als Delegierter bei der "Abrüstungskonferenz für internationale Verständigung".
Er wirkte im externer Wiki-Link Reichsbanner "Schwarz-Rot-Gold" in führender Position mit.

Politischer Ärger beim Völkerbund, ein kleiner Schlaganfall und Bluthochdruck zwangen ihn 1931 zur Ruhe.  

1920 publizierte er sein Buch My three years in America im Verlag C. Scribner's sons in New York.

1933, mit Machtantritt Hitlers, war er  gezwungen, in die Schweiz zu emigrieren und seinen ständigen Wohnsitz hier zu nehmen.
Sein Neffe war der Diplomat und Widerstandskämpfer externer Wiki-Link Albrecht Graf von Bernstorff (* 06.03.1890, Berlin - † 23./24.04.1945, Berlin), den er mit ersten politischen Gesprächen in seiner Richtung beeinflusste.

Er war der Vater von einem Sohn, Gunter Graf von Bernstorff (Mitarbeiter des Großen Hauptquartiers), und einer Tochter.

In seinen letzten Jahren lebte er zurückgezogen und schrieb an seinen Memoiren, die 1936 veröffentlicht wurden. Die letzten 18 Monate litt er an einem Herzleiden.

Racine Journal Times , October 7, 1939
Racine Journal Times , October 7, 1939, p. 1.

Am 06.10.1939 starb er in Genf (Schweiz). Nach der Einäscherung fand die Beerdigung auf dem Genfer Friedhof statt. Seine Frau kehrte in die Vereinigten Staaten zurück. 

 

Bilder:
  1. Johann Heinrich Andreas Hermann Albrecht Graf von Bernstorff. 5. Mai 1910.

Quellen:
  1. Reiling, Johannes: Deutschland, Safe for democracy? Deutsch-amerikanische Beziehungen aus dem Tätigkeitsbereich Heinrich F. Alberts, kaiserlicher Geheimrat in Amerika, erster Staatssekretär der reichskanzlei der Weimarer Republik, Reichsminister, Betreuer der Ford-Gesellschaften im Herrschaftsgebiet des Dritten Reiches. 1914 - 1945. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1997, S. 72. 
  2. Envoy To U.S. Dies. In: Arizona Independent Republic, October 7, 1939, p. 23. Siehe auch: Von Bernstorff, 1917 Envoy From Germany, Dies at 77. In: The Racine Journal-Times, Saturday Afternoon, October 7, 1939, p. 7.
  3. Bernstorff, Johann-Heinrich: Deutschland und Amerika. Erinnerungen aus dem fünfjährigen Krieg. Verlag von Ullstein & Co., Berlin 1920, S. 19.  
  4. Georg von Skal (deutscher Journalist in New York, Agent Franz von Papens) schrieb am 15.12.1915 an Maximilian Harden nach Berlin. In: Reiling, Johannes: Deutschland, Safe for democracy? Deutsch-amerikanische Beziehungen aus dem Tätigkeitsbereich Heinrich F. Alberts, kaiserlicher Geheimrat in Amerika, erster Staatssekretär der reichskanzlei der Weimarer Republik, Reichsminister, Betreuer der Ford-Gesellschaften im Herrschaftsgebiet des Dritten Reiches. 1914 - 1945. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1997, S. 90.  
  5. Von Bernstorff, 1917 Envoy From Germany, Dies at 77. In: The Racine Journal-Times, Saturday Afternoon, October 7, 1939, p. 7.
  6. H. Wilson (2. Sekretär der amerikanischen Botschaft in Berlin) über Graf Bernstorff. In: Reiling, Johannes: Deutschland, Safe for democracy? Deutsch-amerikanische Beziehungen aus dem Tätigkeitsbereich Heinrich F. Alberts, kaiserlicher Geheimrat in Amerika, erster Staatssekretär der reichskanzlei der Weimarer Republik, Reichsminister, Betreuer der Ford-Gesellschaften im Herrschaftsgebiet des Dritten Reiches. 1914 - 1945. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1997, S. 71.  
  7. Stockhammern, Franz von (Hrsg.): Bülow, Bernhard Fürst von: Denkwürdigkeiten. Bd. 2. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. Verlag Ullstein, Berlin 1930, S. 156. 

Links:

Bibliografie:
  • Bernstorff, Johann-Heinrich: Deutschland und Amerika. Erinnerungen aus dem fünfjährigen Kriege. Verlag von Ullstein & Co., Berlin 1920.
  • Bernstorff, Johann-Heinrich: Erinnerungen und Briefe. Polygraphischer Verlag, Zürich 1936. 
  • Bernstorff, Johann-Heinrich: My three years in America. Charles Scribner's Sons, New York 1920.

  • Doerries, Reinhard R.: Imperial Challenge. Ambassador Count Bernstorff and German-American Relations 1908–1917. University of North Carolina Press, Chapel Hill 1989. 
  • Larson, Erik: Der Untergang der Lusitania. Die größte Schiffstragödie des Ersten Weltkriegs. Hoffmann und Campe, Hamburg 2015. 
  • Reiling, Johannes: Deutschland, Safe for democracy? Deutsch-amerikanische Beziehungen aus dem Tätigkeitsbereich Heinrich F. Alberts, kaiserlicher Geheimrat in Amerika, erster Staatssekretär der reichskanzlei der Weimarer Republik, Reichsminister, Betreuer der Ford-Gesellschaften im Herrschaftsgebiet des Dritten Reiches. 1914 - 1945. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1997.  
  • Reinthal, Angela; Riederer, Günter; Schuster, Jörg (Hrsg.): Kessler, Harry, Graf: Das Tagebuch. 1880 - 1937. Bd. 8. Klett-Cotta, Stuttgart 2009.  


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