05.10.2010

Frauenbüste

Heinrich Max Imhof: Marmorbüste von Mathilde Wesendonck, 1862Marmorbüste der Mathilde Wesendonck


1862

Skulptur Marmorbüste


1862 schuf der Bildhauer Heinrich Max Imhof die Marmorbüste von Mathilde Wesendonck.

 
In seinem späteren Schaffen verband Heinrich Max Imhof (* 1795 - † 1869) einen strengen Klassizismus mit einem weicheren, lyrisch betonten Stil, später unter naturalistischer Beobachtung des Modells. 1862 schuf er die Marmorbüste von Mathilde Wesendonck. Die Abmaße sind 41 cm x 28 cm.
Sie zeigt eine Frau mit nach unten geneigtem Haupt auf einem Sockel. Die Dargestellte trägt ein Kopftuch über dem welligen Haar sowie einfache Oberbekleidung mit Faltenschlag über der Brustmitte. Die Skulptur ist nach antikem Vorbild gestaltet und zeigt die deutsche Schriftstellerin Mathilde Wesendonk (1828–1902), geborene Luckemeyer. Als Titel ist sowohl „Frauenbüste“ als auch „Marmorbüste von Mathilde Wesendonk“1 überliefert.
Das Werk ist rückseitig an der oberen Sockelkante signiert sowie datiert „H. IMHOF, FEC 1862“
. [1]
  
Heinrich Max Imhof: Marmorbüster von Mathilde Wesendonck, 1862
Imhof, Heinrich Max: Marmorbüster von Mathilde Wesendonck. Zürich 1862. (2)
 
Die Marmorbüste war einst Teil der Sammlung von Eveline von Wesendonk (geb. Gräfin von Hessenstein), St. Margarethen. Bis 12.12.1933 war diese Büste in ihrem Besitz. Wann und auf welchem Wege die Marmorbüste in ihr Eigentum gelangte, ist nicht bekannt.
 
Karteikarte zur Marmorbüste von Mathilde Wesendonck. (Detail)
Karteikarte zur Marmorbüste von Mathilde Wesendonck. (Detail) (3)

Sie verkaufte sie zu je halben Anteil an die Kunsthandlung Julius Böhler, München und Kunstversteigerungshaus Adolf Weinmüller, München für insgesamt lächerliche RM 50,002.
1936 stieg die Kunsthandlung Böhler beim Versteigerungshaus Weinmüller als stiller Teilhaber ein und blieb bis 1938 Geschäftspartner.
Sicherlich hätte Böhler die Kaufsumme von 50 Reichsmark ohne Weiteres auch alleine aufbringen können, doch es war nicht das einzige Objekt, das Eva von Wesendonk veräußerte. Hinzu kamen eine weitere Marmorbüste und ein Pastell, die beide ebenfalls Mathilde Wesendonck darstellten und für die sie immerhin je 1.440 Reichsmark erhielt. Zum Konvolut gehörten außerdem preislich niedrig angesetzte Auszüge aus Richard Wagners Opern, so dass sie insgesamt Ware im Wert von 3.000 Reichsmark verkaufen konnte. Warum die Imhof’sche Büste nur mit 50 Reichsmark angesetzt war, erschließt sich aus heutiger Warte nicht, gehörte doch der Bildhauer zu den bedeutenderen klassizistischen Bildhauern der Schweiz, der einige Aufträge großer Fürstenhäuser, darunter Preußen und Bayern, erhalten hatte. [2]
   
Verschiedene Verkaufsangabote im Jahr 1934 führten nicht zum Verkaufserfolg.
Am 20.12.1934 verkauften beide Kunsthändler diese Marmorbüste zusammen für stolze RM 1.500,00 an Adolf Hitler. Leider ist bisher nicht bekannt, wo sich diese Büste in den 30er bis 50er Jahren befand.
 
Rückseite der Karteikarte zur Marmorbüste von Mathilde Wesendonck. (Detail)
Rückseite der Karteikarte zur Marmorbüste von Mathilde Wesendonck. (Detail) (4)
Hitler war bekanntermaßen Wagner-Enthusiast und aus diesem Grund mag Weinmüller sein Interesse für die Darstellung von dessen Muse geweckt haben. Nun fragt man sich, was Hitler mit der Marmorbüste machte – stellte er sie bei sich auf? In der Literatur zu seiner privaten Kunstsammlung taucht sie ebenso wenig auf wie in einer Kunst-Inventarliste seiner Wohnung am Prinzregentenplatz, die im Bayerischen Hauptstaatsarchiv verwahrt wird. Wir wissen nicht, welchen Platz sie bei Hitler erhielt. [4]
 
Nach 1949 (?) befindet sie sich im Bundesvermögen. Vom externer Wiki-Link Central Collecting Point (CCP) erhielt sie eine sogenannte München-Nummer - 50211. Jedoch bei der Vergabe dieser hohen Nummer existierte der CCP nicht mehr. Leider fehlt diese Karteikarte4. Eine externer Wiki-Link Linz-Nummer existiert nicht.
Richtig ist, dass zur Marmorbüste keine historische Property Card der amerikanischen Alliierten vorliegt, die einen Eingang des Werkes im CCP München belegt. Recherchen im Bestand B323 im Bundesarchiv Koblenz ergaben, dass die dortigen Property Cards mit der Zählung bei etwa 50500 aufhören3. Eine Property Card zur Marmorbüste ist dort nicht enthalten4. Auf der zugehörigen Property Card im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes sind ebenfalls keine Informationen zur Herkunft des Werkes vermerkt. [5, 1] 
Die Nummer muss also später von der Bundesfinanzverwaltung vergeben worden sein, als die Skulptur Eingang in die Sammlung des Bundes fand. [4]
Auch kein Nachfolge-Archiv hat diese Büste als Eingang vermerkt.
 
Heute wird die Büste im externer Link Wallraf-Richartz-Museum in Köln als Leihgabe der Bundesrepublik Deutschland aufbewahrt. Da nicht bekannt war, wen sie darstellt, lautete der Name bis jetzt "Frauenbüste". Im Zuge des ZIK-Projektes mit Erfassung und Digitalisierung des Archives von Böhler wurde diese Wissenslücke gefüllt. 
 
Auf der zugehörigen Property Card im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes sind keine Informationen zur Herkunft des Werkes vermerkt. Es bleibt auch ungeklärt, wann und auf welchem Wege die Marmorbüste in Bundesvermögen gelangte.
 
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1 Vgl. Zentralinstitut für Kunstgeschichte (ZIKG), München, Archiv der Kunsthandlung Julius Böhler, Karteikarten und Fotokartei, M_33-0060.
2 1933: 1 RM = 4,00 EUR (Kaufkraft entspr. Statistischem Bundesamt. In: Wikipedia: Deutsche Währungsgeschichte) 
3 Vgl. Bundesarchiv (BArch) Koblenz, B323/769, Alte Ministerpräsidentenkartei (endet bei Mü-Nr. 50166); B323/646, Kontrollnummernkartei (endet bei Mü-Nr. 50172); B323/694, Restitutionskartei (endet bei Mü-Nr. 50524).
4 Vgl. BArch Koblenz, B323/694, Restitutionskartei. Die Mü-Nr. 50210–50213 fehlen in der Zählung.    
 
  
Wer weitere Angaben geben kann - bitte setzen Sie sich mit mir in Verbindung.
 
 
 
 
Bilder:
  1. Imhof, Heinrich Max: Marmorbüster der Mathilde Wesendonk [Frauenbüste]. 1862. [1]
  2. Imhof, Heinrich Max: Marmorbüster der Mathilde Wesendonk [Frauenbüste]. 1862. Böhler-Foto-Nr.: K265. [2]
  3. Karteikarte zur Marmorbüste von Mathilde Wesendonck, ZI München/Photothek, Archiv Julius Böhler, Karteisystem München, M_33-0060_01 (Detail) [3]
  4. Rückseite der Karteikarte zur Marmorbüste von Mathilde Wesendonck, ZI München/Photothek, Archiv Julius Böhler, Karteisystem München, M_33-0060_02 (Detail) [4]
    Mit freundlicher Genehmigung von Dr. Birgit Jooss.
  
Quellen:
  1. externer Link BVA Kunstverwaltung des Bundes 
  2. Jooss, Birgit: externer Link Birgit Jooss über Hitler als Kunde (I) (ZISpotlight.de).  
  3. E-Mail vom 05.11.2020 von Birgit Jooss.  
  4. Jooss, Birgit: externer Link Birgit Jooss über Hitler als Kunde (II) (ZISpotlight.de).
  5. E-Mail vom 04.03.2021 von Katrin Schmidt

Links:
 
Bibliografie:
  • Escher, Conrad: Heinrich Max Imhof. In: Schweizer Illustrierte. Bd. 9. 1905, S. 57 - 62. 
  • Hopp, Meike: Kunsthandel im Nationalsozialismus. Adolf Weinmüller in München und Wien. Böhlau Verlag, Köln 2012.
  • Ulrich, Dieter: Imhof, Heinrich Max. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 2008. 
 

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