Correspondenz vom 3. Juni 1862
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Zeitungsartikel
Im Richmonder Anzeiger vom 14. Juni 1862 schrieb August Wesendonck, der Bruder von Otto und Hugo, seinen Artikel. [1]
Während des Amerikanischen Bürgerkrieges verließ er seine Farm "Cluxi" und wohnte in Richmond, der Hauptstadt von Virginia, wo er auf Seiten der Konföderierten sich politisch betätigte.
Richmonder Anzeiger. 9. Jahrgang, Nr. 2, Sonnabend, den 14. Juni 1862, S. 1, Richmond, VA.
Richmonder Anzeiger. 9. Jahrgang, Nr. 2, Sonnabend, den 14. Juni 1862, S. 2, Richmond, VA. (2)
Correspondenz vom 3. Juni 1862
(Correspondenz des „Richmonder Anzeigers“.)
Lieber Anzeiger!
Europa muß es nun klar werden, daß nichts Anderes, als die Unabhängigkeit des Südens diesen heillosen Krieg enden kann, und je eher daher von dieser Seite intervenirt wird, desto besser für die ganze Menschheit. Außer den ungerechten Beschlüssen in Washington machen Butler, David Hunter und Fremont noch ihre eigenen Gesetze: die Männer werden gehangen, die Frauen und Töchter preiß gegeben und die Neger bewaffnet. Alles Eigenthum hat aufgehört, alle Rechte sind am Ende, Diebstahl ist Tugend und Grausamkeit Gesetz, Menschlichkeit ist ein Verbrechen und Gerechtigkeit ein Gräuel. Aber Sonne und Mond scheinen noch, die Wasser laufen ihren alten Gang, Wald und Flur stehen in gewohnter Pracht, und das Firmament ist da wie zuvor. Der Tage letzter ist noch nicht gekommen, und den Blinden sind die Augen noch nicht geöffnet!
Landmarke KG 21: Pearisburg, Giles County, VA. [*]
Die Nachrichten von unserer Niederlage[1] in Lewisburg sind sehr übertrieben worden; wir verloren nur wenige Leute; während wir mit einer überwiegenden Mehrzahl, die sich in Häusern geschützt befand, zu kämpfen hatten, waren unsere Leute auf der Straße dem feindlichen Feuer ausgesetzt. Indem wir uns zu einem neuen Angriff rüsten, machen sich die Yankees wie es heißt aus dem Staube. Nachdem Gen. Heth die Yankees aus Parisburg vertrieben, wurden sie aus Princeton durch Gen. Marshall verjagt, und namentlich von dem 51sten Virginia Regiment geschlagen. Wir erbeuteten dabei sehr guten Catawba Wein, der an Col. Mohr von einem Ohio Regiment adressirt war, der mir sehr mundete. Ferner eine Masse Telegraphendraht, der aber nun, anstatt von Giles nach Wheeling, von da nach Dublin bereits aufgerichtet ist, um unserer Regierung Nachrichten von dem ferneren Erfolge der Campagne zu geben. Wenn es uns gelingen sollte, die Yankees durchs Kanawhathal zu treiben, dann würden wir in Gemeinschaft mit den Border Rangers eine längst ersehnte glückliche Zeit erleben.
Flagge von Virginia aus dem Jahre 1861.
Unter den Todten und Gefangenen in den blauen Röcken befinden sich viele Deutsche. Diese armen Teufel sind die Opfer des „Pathfinders“, der sie ins Feuer schickt, selbst aber weit vom Schuß bleibt. Wehe, wehe diesen armen Verblendeten! Mancher von ihnen wird nie aus diesen Bergen herauskommen und unbeweint in die Grube sinken, die ihnen ihre Unwissenheit und die Infamie der republikanischen Partei bereitet hat. Ich sprach dieser Tage einen Schweden, Col. Straßburg, der in der Schlacht bei Donelson war und mir sagte, daß dort die Deutschen heerdenweise niedergemäht wurden, daß ihm das Herz im Leibe ordentlich wehe that. Die schönsten blauäugigen Söhne Herrmanns, starke, hübsche, gutgewachsene blonde Leute – da lagen sie, leblos, die blinden Opfer Lincolns und Sewards. Und was wird ihnen dafür? Schurz hat von Spanien fortgemußt, und in Rußland will man ihn auch nicht.
Und bei allen Schlachten, die der Norden gewonnen, waren es nur die Deutschen, die dem südlichen Feuer widerstanden; trotzdem nehmen die Original-Yankees den Sieg stets nur für sich in Anspruch. In einem Schreiben an Harpers Weekly beklagt sich ein Deutscher in Louisville, ohne seinen Namen zu nennen, sehr darüber, daß sein Correspondent absichtlich den Deutschen gar keinen Credit für ihre Tapferkeit in seinen Kriegs-Berichten giebt, während doch die Deutschen in St. Louis a l l e i n drei Viertel von allen Missouri-Truppen geliefert und die deutschen Generäle sich fortwährend ausgezeichnet hätten. Es spricht dies drei Viertel gar nicht ehrenvoll für unsere Landsleute, indem sie vor ihrer Niederlassung in Missouri die Institutionen des Landes kennen mußten. Sie stehen in derselben Cathegorie mit den b e w a f f n e t e n Unionsleuten in Virginien, und wahrhaftig, weder die Yankees noch die Secessionisten achten sie. Suchten aber Deutsche in Missouri einen militärischen Ruhm, so hätten sie ihn auf Seiten ihres Adoptivstaates finden können. Gegen den eigenen Staat zu streiten, finde ich unverantwortlich; convenirten ihnen dessen Gesetze nicht, so stand ihnen der Norden als Wohnsitz offen. – Der Schreiber des Louisville Briefes schließt mit den Worten: If a man kicks up a fuss, let him bear the consequences. Very well, sage ich dazu, die Welt wird urtheilen, wer an der rechten Seite war, und auf wessen Seite die Consequenzen zu fallen haben oder wen sie am schwersten treffen werden. Einstweilen suchen die Leute in New York Wohnungen von $200 bis $500 Miethe, welche früher $1000 bis $2000 Rente bezahlten. Aber das hindert natürlich nicht, der gemeinen Sprache eines Brownlow ein Ohr zu leihen. O Zeit! o Sitten! Es giebt auch im Süden Kleingläubige, welche im Glück stark, im Unglück schwach sind. Solche Charactere, welche man im Englischen treffend „little minded“ bezeichnet, sind nur zu bedauern. Wenn das Wetter schön ist, dann haben wir einen guten Präsidenten, Congreß und Generäle. Ist es aber schlecht, dann sind Alle nichts. Sie erwarten Uebermenschliches, mögen nicht gern in ihrer Bequemlichkeit gestört sein, wollen ihr Eigenthum unter keinen Umständen gefährdet sehen, stets viel Geld verdienen &c. Sie vergessen, daß dies eine Republik ist, wo Jeder seine Pflicht thun muß, um das Ganze zu erhalten, und daß wir einen mächtigen Feind zu bekämpfen haben, der alle unsre Anstrengungen in Anspruch nimmt. Haben wir nicht einen Präsidenten, haben wir nicht einen Gouverneur, haben wir nicht einen Colonel der Miliz? &c., habe ich Leute sagen hören, ist es meine Sache, etwas zu thun? Sehr wohl haben wir diese Beamten, aber sie erwarten von D i r persönliche, thatsächliche und moralische Unterstützung. Ohne Mitwirkung können auch sie nichts thun. Es ist sehr leicht, Alles zu tadeln, aber das Bessermachen ist schwierig. Glaubst Du etwas Besseres zu wissen, so mache es der betreffenden Behörde bekannt; aber bilde Dir nicht immer ein, daß Du wirklich mehr weißt. Sehr häufig auch lassen sich wirklich gute Maßregeln nicht gleich durchführen: das Volk ist dagegen. Wie langsam war man mit der Secessions-Erklärung! Präsident Davis war von Anfang an für eine Dienstzeit für die Dauer des Krieges. Wäre es aber möglich gewesen, so etwas derzeit durchzuführen? Endlich hat man es eingesehen und ist ohne Widerrede dazu geschritten. Die Volksvertretung hat ihre Nachtheile wie ihre Vortheile. Wie langsam ist das Volk, wenn es seinem eigenen Ermessen gemäß handelt, – Süd-Carolina ausgenommen. Dagegen mit dem Verdammungsurtheile – Süd-Carolina nicht ausgenommen, – wie oft zu rasch, wenn es nicht sich selbst betrifft. Ich sollte denken, daß die Geschwornen-Verhandlungen dem Volke gelehrt hätten, nicht eher zu urtheilen, bis es beide Seiten gehört und Alles gehörig geprüft hätte.
Virginia 1862. [2]
Welch ein Haschen nach Beifall findet man nicht bei Manchem, und wie systematisch sind nicht die Pläne gelegt, dem Volke Sand in die Augen zu streuen! Diese inneren Fehden sind dem Gedeihen unserer Sache so sehr im Wege, als die Armee McClellans, denn der Ehrgeiz, die Ruhmsucht, die Geldgier und der Verrath sind allein Schuld daran, daß wir die Yankees noch nicht überall aus dem Lande getrieben haben, denn unsere Soldaten sind brav und zahlreich. Zur selben Zeit unterliegt es keinem Zweifel, daß mancher Fehler gemacht worden ist. Auch hätten wir zu den guten Offizieren, die wir besitzen, gewiß noch verschiedene, wenn auch fremdgeborene, aber Männer vom Fach bekommen können, wenn es uns ernstlich darum zu thun gewesen wäre und wenn der Stolz der Amerikaner es nicht verhindert hätte. Und so müssen wir insgesammt darunter leiden.
C l u x i , 3ten Juni 1862.
A u g u s t W e s e n d o n c k.
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[] Anm. von TS.
* Illustrationen nicht Bestandteil des Artikels [TS].
1 Battle of Lewisburg, WV, 23. Mai 1862, Dauer rund 30 Minuten: 38 Tote, 66 Verwundete, rund 100 Gefangene / andere Quelle: 80 Tote, 100 Verwundete, 157 Gefangene, 4 Kanonen, 25 Pferde, 300 Kleinwaffen erbeutet.
Bilder:
Quellen:
- Wesendonck, August: Correspondenz vom 3. Juni 1862. In: Richmonder Anzeiger. 9. Jahrgang, Nr. 2, Sonnabend, den 14. Juni 1862, S. 2.
- Timeline 1862 American Civil War
Links:
- Library of Congress
- Confederate States Army
- Battle of Lewisburg
- Gray Forces Defeated in Battle of Lewisburg
Bibliografie:
- Wesendonck, August: Correspondenz vom 3. Juni 1862. In: Richmonder Anzeiger. 9. Jahrgang, Nr. 2, Sonnabend, den 14. Juni 1862, Richmond, VA 1862, S. 2.
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