Prof. Karl Reinhold Becker,
auch: C. (Carl) Reinhold Becker
* 1842 - † 1924
Musiker, Komponist, Chormeister, Tondichter und Melodiker
Er war ein gerngesehener Gast im Hause Wesendonck und vertonte einige Gedichte von Mathilde Wesendonck.
( 2) Sein Onkel Ehrlich (kinderlos, Geigenbauer, wohnhaft im Ehrlich-Haus in der Töpfergasse) in Dresden erzog ihn nach dem Tod seines Vaters seit dem 7. Lebensjahr. Er bekam eine gute schulische und künstlerische Ausbildung. Er war ein Schüler von Julius Otto (Theorie, Gegner Richard Wagners), Winterstein (Violinspiel) und zum Teil erhielt er auch seine musikalische Ausbildung auf dem Konservatorium in Dresden. Er wurde Violinist. Hier entwickelte sich sein musikalisches Talent. Mit 9 Jahren trat er schon öffentlich als Geiger auf. [3] Nach einer Tannhäuseraufführung wurde Becker ein begeisterter Wagner-Verehrer.
Zunächst war er Geiger. 1860 lernte er den Geiger Louis Eller (* 1820, Graz - † 1862, Pau) kennen und übernahm nach dessen Tod 1863 sein Streichquartett. Seinen Wohnsitz hatte er zu dieser Zeit in Südfrankreich in Pau. Für den Violinvirtuosen war Pau seine neue Heimat geworden. Bis zum Kriegsjahr 1870 verblieb er mit großen Erfolgen in dieser Stellung Schweren Herzens löste er sein in Frankreich bekanntes Quartett auf. In einer Kritik im Memorial des Pyrénées vom 01.03.1866 stand u. a.:
Herr Becker mußte auf die Bravos des ganzen Saales, der von einem unmöglich zu beschreibenden Enthusiasmus hingerissen war, sich auf der Estrade zeigen. [12]
1870 zog er wieder nach Dresden zurück. Sein Wohnsitz war in Blasewitz (Adressbuch Blasewitz 1879: Weinbergstr. 1 (heute: Hans-Böhm-Str.) bis 1880, danach Töpfergasse 10 (heute: Töpferstr.), Sidonienstr. 19 (heute: Prager Straße; in dem Haus wohnte auch der Oberbürgermeister Dr. jur. Stübel), Bergstr. 1 (heute: Ammonstr./Wiener Platz) und Ammonstr. 1 (heute: Wiener Platz) in Dresden und seit 1902 wieder in Blasewitz in der Sachsen-Allee 4 (heute: Lene-Glatzer-Str. 26)).
Sein Muskelleiden in der linken Hand verstärkte sich weiter. Ab 1870 war er dann nur noch Lehrer (er gab Musikstunden in Klavier- und Harmonielehre), Dirigent und Komponist. Hauptsächlich komponierte er Lieder (1867: Lieder Op. 1), vor allem für Männerchöre (viel gesungen: Waldmorgen), Lieder für eine Singstimme. Er wurde auch als ein feinsinniger Bearbeiter altdeutscher Weisen bekannt. [4]
Seine über 300 Lieder, Gesänge und Chöre zeichnen sich durch Eigenart der Erfindung, quellende Melodik, vortreffliche Deklamation und zum Herzen gehende Tonsprache aus. [5]
( 3) Er komponierte auch 2 Opern (Frauenlob, op. 75, Oper in 3 Akten, 1892 Dresden; Ratbold, op. 88, Oper in 1 Akt, 1896 Mainz) und eine Sinfonie (Erste Sinfonie, C-Dur, op. 140) sowie Melodramen, Orchester- und Klavierwerke, Kammermusik, aber auch Violinkonzerte (Erstes, A-Moll, op. 4, Zweites, E-Moll, op. 100) und für das Harmonium. Er entwickelte auf fast allen Gebieten der musikalischen Komposition eine erfolgreiche Tätigkeit.
Bei Reinhold Becker hat man es mit einem Künstler zu tun,
dessen Vielseitigkeit der Begabung mit dem reichtum seiner Melodik und der vollkommenen Beherrschung aller Ausdrucksmittel gleichen Schritt hält und dessen Schöpfungen, von den kompliziertesten Chorwerken bis zu den einfachsten Volksliedern, stets den feinsinnigen, ausgereiften und abgeklärten Musiker verraten. [5]
Reinhold Becker: Vertonte Gedichte von Mathilde Wesendonck. [6, 7]
Während der Dresdner Jahre der Wesendoncks und auch darüber hinaus war er mit Mathilde Wesendonck bekannt. Er schuf Liederzyklen, in denen er Gedichte von ihr vertonte. Diese sind im Verzeichnis der Werke (Dr. phil. Kurt Kreiser) unter I. Lieder und Gesänge aufgeführt.
Zwei Lieder von Mathilde Wesendonck (op. 130, № 1: Im Herzen trübe und traurig, № 2: Faßt denn ein Kelch), Vier Lieder (op. 12, № 4: Gieb mir ein Herz von Eisen), Vier Lieder (op. 53, № 1: Herzenslenz), Sechs Lieder (op. 61, Heft 1, № 2: Höchstes Glück) und Zwei Lieder (op. 36, № 2: Mailied, Strophe 2). Sein Opus 12 widmete er Mathilde Wesendonck.
Eine ganz besondere Einwirkung auf Beckers weitere Entwicklung hat das Haus Wesendonck ausgeübt. Bei seiner Begeisterung für Richard Wagner mußte die Tatsache, daß Frau Mathilde Wesendonck einen starken Einfluß auf Wagner und sein Schaffen gehabt hat, ihn diesem Kreise besonders nahebringen. Er hat viel in Dresden und später, nachdem Wesendoncks nach Berlin gezogen waren, auch dort bei Wesendoncks verkehrt und gewohnt, hat mit Frau Mathilde Wesendonck häufig musiziert und auch einige iher Gedichte vertont ... Er war auch Wesendoncks Gast auf dem grünen Hügel bei Zürich, der musikhistorisch durch Wagner so berühmt geworden ist. 1891 war er mit seiner Gattin längere Zeit bei ihnen in der schöngelegenen Villa Traunblick bei Gmunden. [8]Als begeisterter Verehrer der Wagnerschen Musik weilte er fünfmal in Bayreuth und erzählte viel von seinen dortigen Erlebnissen.
( 4) In den Jahren 1884 - 1894 war er Chormeister der Dresdner Liedertafel. Diese Position hatten schon Richard Wagner, Robert Schumann, Ferdinand Hiller, Julius Otto und Carl Gottlieb Reißiger vor ihm inne.
Seine zukünftige Gattin, Olga Haebler, lernte er im Hause des Kgl. Sächsischen Hofjuweliers und späteren Türkischen Generalkonsuls Fritz Chrambach (* 18?? - † 19??; Dresdner Mitglied und Förderer der Schopenhauer-Gesellschaft) näher kennen. Vordem war sie eine seiner Schülerinnen in Harmonielehre. Hier tagte der kleine Damenchor, dessen Leiter Becker in den 80er Jahren wurde und wo sie Mitglied war. Frau Chrambach, eine enge Freundin seiner Gattin, war die Tochter des Sekretärs und Hoftheater-Dramaturgen Julius Pabst (* 1817 - † 1889). Die Verlobung fand am 15.03.1890 statt. Sie wohnte in der Ammonstraße 93. Am 16.06.1890 heiratete er die Tochter des Großkaufmanns Haebler in der Frauenkirche. Am Weihnachtsabend überraschte er seine Gattin mit einem Geigenspiel - nach 20 Jahren krankheitsbedingter Pause. In der Zeit nach seinem aktiven Geigenspiel bildete er sich ständig weiter auf musikalischem, literarischem, philosophischem und sprachlischem Gebiet. Trotz seiner schweren Schicksalsschläge zeichnete er sich durch einen prachtvollen, lebensbejahenden Optimismus aus.
Am 21. Mai 1892 führte er mit der "Liedertafel" sein Bismark-Lied (Dichtung: Paul Heyse) in Friedrichsruh als Huldigung des Altreichskanzlers auf. Von diesem wurde es mit lebhafter Freude aufgenommen. [9]
1898 komponierte er eine Fest-Hymne (op. 96) für Massenchor zur Feier des 70. Geburtstages und zum 25. Regierungsjubiläum Seiner Majestät des Königs Albert von Sachsen und wurde daraufhin zum Kgl. Prof. ernannt. Außerdem war er Hofrat.
In seinen letzten Lebensjahren erblindete er zusehends. Bis zu letzt blieb ihm sein Liebstes - die Beschäftigung mit der Literatur. Seine Frau las ihm unermüdlich vor, in deutscher, französischer und italienischer Sprache. Er verstarb am 04.12.1924 in Dresden. Reinhold Becker zählte
als Tondichter wie als Mensch zu den sympathischsten Persönlichkeiten im Musikleben unserer Residenz. [10]
Die Reinhold-Becker-Straße am oberen und das Geburtshaus am unteren Ende des Marktes in Adorf/Vogtland.
Heute ist er weitestgehend vergessen. Sein Geburtshaus ist verkommen und stark sanierungsbedürftig. Wegen dem Denkmalschutz darf es nicht abgerissen werden. [3] Eine kleine Tafel über dem Eingang erinnert an ihn. [2] Am 24. Juni 1923 wurde sie unter den Klängen des von der Dresdner Liedertafel gesungenen Hochamts im Walde (op. 74, № 1) enthüllt. Sie wurde vom Adorfer Kommerzienrat Claviez (* 1866, Reichenbach / Vogtland - † 1924, Adorf / Vogtland) gestiftet. [13]
Die Reinhold-Becker-Straße in Dresden-Blasewitz.
Den jeweiligen Seelenstimmungen und den Anforderungen jeder Aufgabe gab sich Becker durchaus hin, wie verschiedenartig sie auch sein mochten. Darum haben wir bei ihnen nie den Eindruck des künstlich Gemachten. Ob Freude oder Leid aus seinen Tönen spricht, ob sonnige Heiterkeit oder tiefer Ernst, ob Lust am Leben oder heißes, schweres Ringen - immer ist es s e i n e Seele, die aus seinen Werken spricht. [14]
Bilder:
- Reinhold Becker [11].
- Verein für Geschichte Dresdens (Hrsg.): Reinhold Becker sein Leben und sein Werk. Dresden 1932.
- Reinhold Becker [12].
- Reinhold Becker [13].
Quellen:
- Verein für Geschichte Dresdens (Hrsg.): Reinhold Becker sein Leben und sein Werk. Dresden 1932, S. 7 ff.
- Hager, Ronny: Adorf: Erinnerung an großen Sohn. In: Freien Presse vom 03.12.2011.
- Reinhold Becker. Adorf/Vogtland.
- Becker, Reinhold. In: Mayers Konversationslexikon. 18. Band, Jahres-Supplement 1890-1891, Vierte Auflage 1885-1892, S. 97.
- Platzbecker, Heinrich: Reinhold Becker. In: Salonblatt (Dresdner Salonblatt). Jahrgang 3, № 17. Dresden, den 25. April 1908, S. 5.
- F. 807b R., ADMV-0068 a-d.
- SLUB 4.Mus.4.5882.
- Reinhold Becker sein Leben und sein Werk. S. 15. A. a. O.
- Salonblatt. S. 5. A. a. O.
- Salonblatt. S. 6. A. a. O.
- Allg. Illustr. Enzyklopädie der Musikgeschichte. 1901, S. 149.
- Reinhold Becker sein Leben und sein Werk. S. 11. A. a. O.
- Reinhold Becker sein Leben und sein Werk. S. 57. A. a. O.
- Reinhold Becker sein Leben und sein Werk. S. 164. A. a. O.
- Adreß- und Geschäfts-Handbuch für Blasewitz mit Neugruna und Neuseidnitz 1880; Adressbuch für Dresden und seine Vororte 1902, 1922/23.
Links:
- Reinhold Becker (Adorf/Vogtland)
- Adressbuch Blasewitz 1879
- Reinhold-Becker-Straße in Dresden-Blasewitz
- Reinhold-Becker-Straße (Stadtwiki Dresden)
- Reinhold Becker bei
Bibliografie:
- Becker, Reinhold: Der Altheimische Minnesang. Kommissionsverlag von Max Niemeyer, Halle (Salle) 1882.
- Becker, Reinhold; Stern, Adolf: Fest-Hymne zur Feier des 70. Geburtstages und des 25. jährigen Regierungsjubiläums Seiner Majestät des König Albert von Sachsen. Dresden 1898.
- Becker, Reinhold: Der mittelalterliche Minnedienst in Deutschland. Kommissionsverlag von Max Niemeyer, Halle (Salle) 1897.
- Becker, Reinhold: Sechs Lieder für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte (op. 61). Heft 1 und 2. Ries & Erler [R 4702-4704], Berlin 1895.
- Becker, Reinhold: Vier Lieder für eine tiefe Stimme und Pianoforte (Op. 12). Verlag von F. Ries, Dresden.
- Becker, Reinhold: Volkslieder für zwei Singstimmen (15 Lieder). Neu bearbeitet von Reinhold Becker. Ausgabe für Klavier mit überlegten Singstimmen. C. F. Peters [VN 7495], Leipzig, (um 1900).
- Becker, Reinhold: Zwei Lieder für eine mittlere Singstimme und Pianoforte (op. 36). Nr. 2: Mailied, Strophe 2 von Mathilde Wesendonck. Fr. Kistner & C. F. W. Siegel, Leipzig.
- Becker, Reinhold: Zwei Lieder von Mathilde Wesendonck für eine Singstimme mit Pianoforte (OP. 130). C. F. Kahnt Nachfolger, Leipzig 1905.
- Hager, Ronny: Adorf: Erinnerung an großen Sohn. In: Freien Presse vom 03.12.2011, Ausgabe Oberes Vogtland. (Zum 87. Todestag Reinhold Beckers am 04.12.2011).
- Becker, Reinhold. In: Mayers Konversationslexikon. 18. Band, Jahres-Supplement 1890-1891, Vierte Auflage 1885-1892, S. 97.
- Platzbecker, Heinrich: Reinhold Becker. In: Salonblatt (Dresdner Salonblatt) Moderne illustrierte Wochenschrift für Gesellschaft, Theater, Kunst und Sport. Jahrgang 3, № 17. Dresden, den 25. April 1908, S. 5 ff.
- Verein für Geschichte Dresdens (Hrsg.): Reinhold Becker sein Leben und sein Werk. Reinhold Beckers Leben von Dr. Oskar Fischer, Dresden. Seine Werke von F. A. Geißler, Dresden. Verzeichnis der Werke von Dr. Kurt Kreiser, Dresden. Eigenverlag / Verein für Geschichte Dresdens, Dresden 1932.
1 Kommentar:
Wohnort von Becker war in Dresden Blasewitz die Weinbergstraße 1 (vgl. Adressbuch von Blasewitz 1879)
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