25.11.2012

Victor Böhmert

Cosima WagnerGeheimrat Prof. Dr. jur. Dr.-Ing. E. h. Karl Victor Böhmert
(auch: Viktor Böhmert)


* 1829 - † 1918

Jurist, Sozialpolitiker, Statistiker, Publizist, Journalist, Freihändler, Hochschullehrer


Er war ein Bekannter von Otto Wesendonck., der in seinem Testament über 90.000 Mk für gemeinnützige Einrichtungen in Dresden spendete.


Er war der Sohn eines Pfarrers und wurde am 23.08.1823 in Quesitz bei Leipzig geboren.
1851 legte er das Erste Staatsexamen ab und studierte bis 1852 in Leipzig Jura und Nationalökonomie. 1854 promovierte er zum Doktor der Rechtswissenschaften in Leipzig.
1855 ging er nach Heidelberg um die Zeitschrift "Germania", ein Zentralblatt für die volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen Deutschlands, zu redigieren und herauszugeben. 1856 - 1860 war er Leiter der Redaktion des "Bremer Handelsblatts", die neben der "Ostseezeitung" wichtigste Zeitung mit freihändlerischer Ausrichtung. Danach wirkte er als Syndikus der Bremer Handelskammer.
1859 war er an der Gründung des Deutschen Nationalvereins beteiligt (einer der Väter der Nationalliberalen Partei).

Im Jahr 1866 erhielt er einen Ruf als Professor für Nationalökonomie und Statistik an die Universität und das Eidgenössische Polytechnikum zu Zürich.

1873 - 1914 war er Herausgeber (zusammen mit Rudolf Gneist) der Zeitschrift "Der Arbeiterfreund" (Der Arbeiterfreund. Jahrgang 1886 Vergrößern ). Dadurch gewann er einen großen Einfluß auf die betriebliche Sozialpolitik.

Das neue Polytechnicum zu Dresden - Hauptgebäude. [2]

1875 erhielt er die Berufung zum Professor für Nationalökonomie und Statistik am Königlich Sächsischen Polytechnicum zu Dresden. Dieser Lehrstuhl wurde hier neu errichtet. Seine Vorlesungen begleitete er mit seminaristischen Übungen und Exkursionen in Fabriken, Bergwerke und landwirtschaftliche Güter. 1890 wird das Dresdner Polytechnikum Technische Hochschule. 1903 emeritierte er als Hochschullehrer.
1875 - 1895 war er auch Direktor des königlich sächsischen Statistischen Büreaus (späteres Königlich-Sächsisches Statistisches Landesamt) in Dresden. Er gab das "Jahrbuch" und die "Zeitschrift des Statistischen Landesamtes" heraus.1916 wurde er Dr. E. h. der TH Dresden ("Für seine reichen Erfolge in der Lehre und Verdienste als Sozialpolitiker um Heimat und Vaterland").

Victor Böhmert: Das Armenwesen in 77 deutschen Städten und einigen Landarmenverbänden.
Dargestellt auf Grund der Verhandlungen und statistischen Untersuchungen des
Deutschen Vereins für Armenpflege und Wohltätigkeit.
Dresden, 1886.
 

Er gilt als Pionier der Sozialpolitik in der Stadt Dresden. Seit 1877 redigierte er die "Sozial-Correspondenz" (erschien zwei Mal wöchentlich) und das "Volkswohl". Er war ein Gegner jeglicher Klassenideologie und eines Klassenbewusstseins; für ihn gab es keinen Unterschied zwischen Arbeitern und Bürgern, für ihn waren die Arbeiter Bürger. Böhmert lehnte ein staatliches Wohlfahrtssystem ab (Klassenkampf von oben, Selbsthilfe und -erziehung). Er trat ein für die Förderung des Kinderschutzes, des Arbeiterwohls, für Frauenstudium und Volksakademien. Er publizierte eine Reihe von Werken und Aufsätzen zu diesen Themen.

 Bericht über: Die Social-Correspondenz. In: Die Gartenlaube. Jahrgang 1877, Heft 39, S. 659-660.

Ab 1880 ging er an die praktische Umsetzung seiner Ideen. Er unterstützte die Gründung Gemeinnütziger Vereine auf allen Gebieten der Sozialpolitik (u. a. Kinderschutzvereine, Lehrlings- und Mädchenheime, gegen Alkoholmissbrauch). Er selbst gründete lokale und nationale Vereine für Armenpflege und Wohltätigkeit. Es wurde nach dem sogenannten Elberfelder Vorbild eine neue "Ortsarmenverordnung" erlassen.

Ehemaliges Dresdner Arbeitshaus
Ehemaliges Dresdner Arbeitshaus in der Königsbrücker Str. 119. [3]

Er führte den Vorsitz im "Verein gegen Armennot und Bettelei" in Dresden, der unter der Maßgabe "Arbeit statt Almosen" armen Jugendlichen Hilfe zur Selbsthilfe zu geben versuchte. Dieser Verein wurde am 10.03.1880 gegründet. Die Mitglieder verpflichteten sich, jede direkte Gabe an Bettler zu verweigern.
Allerdings lebten nicht alle Stadtarmen in Freiheit - "arbeitsscheue, sich herumtreibende Personen" beiderlei Geschlechts an die Arbeit wieder heranzuführen, aber auch Obdachlosen Unterkünfte zu geben und gleichzeitig ihre Arbeitskraft zu nutzen, war die Aufgabe der externer Link Google-Maps Arbeitshäuser. [3]

Der Arbeiterfreund. Jahrgang 1886
Böhmert, Victor (Professor Dr., Dresden); Gneist, Rudolf (Professor Dr., Berlin) (Hrsg.):
Der Arbeiterfreund. Zeitschrift des Central-Vereins für das Wohl der arbeitenden Klassen.
Vierundzwanzigster Jahrgang 1886. Leonhard Simion., Berlin 1886.

Von der Stadt Dresden erhielt er eine Reihe von Ehrungen: 1905: goldene Gedenkmünze; 1910: Ehrenplatz seines Bildnisses im Stadtmuseum; 1916: Ehrendoktorwürde

Am 12.02.1918 verstarb er in Dresden.


Bilder:
  1. Victor Böhmert.
 
Quellen:
  1. U. a.: Gerald Hacke: Viktor Böhmert. In: Dorit Petschel u. a. (Hrsg.): 175 Jahre TU Dresden. Die Professoren der TU Dresden, 1828-2003. Köln 2003, S. 113. 
  2. Wirtschaftswissenschaften in Dresden. Dresden 2010, S. 8. 
  3. Richter, Ralf: externer Link Arbeit statt Almosen. Dresden-Neustadt.de 

Links:

Bibliografie:
  • Böhmert, Victor: Freiheit der Arbeit! Beiträge zur Reform der Gewerbegesetze. Bremen 1858.
  • Böhmert, Victor: Das Studium der Frauen, mit besonderer Rücksicht auf das Studium der Medizin. Leipzig 1872.
  • Böhmert, Victor: Der Sozialismus und die Arbeiter-Frage. Zürich 1872.
  • Böhmert, Victor: Hochschulen und Volksakademien. In: Der Arbeiterfreund. Jg. 13 (1875).
  • Böhmert, Victor: Der Fabrikant als Lehrer und Erzieher. In: Der Arbeiterfreund. Jg. 15 (1877).
  • Böhmert, Victor: Die Gewinnbetheiligung. Untersuchung über Arbeitslohn und Unternehmergewinn. In: Internationale wissenschaftliche Bibliothek. 32/33,  Leipzig 1878.
  • Böhmert, Victor: Die Fürsorge für das Arbeiterwohl als internationale Aufgabe. In: Der Arbeiterfreund. Jg. 18 (1880). 
  • Böhmert, Victor: Die weiteren Ergebnisse der sächsischen Armenstatistik für das Jahr 1885. Dresden 1885.
  • Böhmert, Victor: Ein Besuch bei Gustav Werner´s Fabriken und Bruderhäusern. In: Der Arbeiterfreund. Jg. 23 (1885).
  • Böhmert, Victor: Das Armenwesen in 77 deutschen Städten und einigen Landarmenverbänden. Dresden 1886. 
  • Böhmert, Victor: Materielle und ideelle Lösung der socialen Frage. In: Der Arbeiterfreund. Jg. 24 (1886).
  • Böhmert, Victor: Die Förderung des Arbeiterwohls durch eine Reform der Volksgeselligkeit. In: Der Arbeiterfreund. Jg. 27 (1889).
  • Böhmert, Victor: Die neueren Bestrebungen zur hauswirtschaftlichen Ausbildung des weiblichen Geschlechts. In: Der Arbeiterfreund. Jg. 27 (1889).
  • Böhmert, Victor: Wie soll ein Arbeitgeber Überschüsse verwenden, Fabrikfeste feiern und überhaupt für seine Arbeiter sorgen? In: Der Arbeiterfreund. Jg. 27 (1889).
  • Böhmert, Victor: Die Armenpflege. In: Zimmers Handbibliothek der praktischen Theologie. Bd. 11/14, Abt.34. Gotha 1890. 
  • Schmidt, Peter: Am Born der Gemeinnützigkeit. Festgabe zum 80. Geburtstage des Herrn Geh. Reg.-Rat Prof. dr. jur. Victor Böhmert. Dresden 1909. 
  • Festgabe des Vereins gegen Armennot und Bettelei zu Dresden. Zur 31. Jahresversammlung des Deutschen Vereins für Armenpflege und Wohltätigkeit. Verlag von Böhmert, Dresden o. J. (vermutlich 1911).  
  • Kranich, Sebastian: Victor Böhmert (1829-1918). Nationalökonom, Jurist, Politiker, Publizist, Hochschullehrer, Staatsbeamter, Sozialreformer und Laientheologe. In: Tanner, Klaus (Hrsg.): Gotteshilfe - Selbsthilfe - Staatshilfe - Bruderhilfe. Beiträge zum sozialen Protestantismus im 19.Jahrhundert. In: Herbergen der Christenheit. Sonderbd. 4, Leipzig 2000.


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