22.06.2010

Brief 3. September 1862

Richard Wagner an Minna Wagner. Schuster & Loeffler, Berlin und Leipzig 1908Brief vom 3. September 1862


Richard Wagner an Minna Wagner 


Ein Brief von Richard Wagner an seine Frau Minna aus dem Jahre 1862.


Der Maler Cäsar Willich malte im Auftrag von Otto Wesendonck ein Porträt von Richard Wagner, der sich im Sommer 1862 in Biebrich aufhielt um an seinen Meistersingern zu arbeiten.

Wagner schreibt ihr in seinem Brief über sein angedachtes Geburtstagsgeschenk, welches er ihr nicht pünktlich überreichen kann. [1]

Biebrich a/Rh. 3. September 1862.
Liebe Minna! 
Du wirst Dich über diesen  l e e r e n  Brief wundern. Ermiß, wie mir es schmerzlich sein muß, an Deinem Geburtstag so erscheinen zu müssen. Ich hatte gehofft, heute die Summe zur Dresdener Einrichtung Dir übersenden zu können: ich kann Dir nicht einmal das Nöthige zu Deinen täglichen Ausgaben schicken und muß die widerwillige Bitte an Dich richten, Dir für einige Tage noch was Du bedarfst von einer Deiner Freundinnen (ich bitte Mathilde besonders darum) Dir vorschießen zu lassen. Diese letzte Klemme wird hoffentlich eben nur noch einige Tage dauern. Es ist mir sehr hart gegangen, und Alles hätte ich mir eher träumen lassen, als daß Schott - wie er sagt, wegen des gänzlichen Ausbleibens seiner eigenen Einnahmen aus Amerika und Rußland - mich jetzt so gänzlich würde sitzen lassen. Ich reiste selbst nach Kissingen, wo er zur Kur ist, traf ihn soeben von heftigem Fieber erkrankt, und konnte gar nicht einmal vorgelassen werden. Ich habe nun Anstalten getroffen, das nöthige Geld auf andren Wegen aufzunehmen, und glaube mit Sicherheit darauf rechnen zu können, Dir in den nächsten Tagen wenigstens etwas zu Deinem Unterhalt, und in Kurzem auch das Nöthige zur Einrichtung mit den Möbles zukommen zu lassen. Tröste Dich mit mir, dessen Unglücksfälle Du nun einmal zu theilen hast: sei dafür auch versichert, daß ich zu Allernächst an Dich denken werde, sobald ich selbst aus der Verlegenheit sein werde.
Aber noch eine andre Freude ist mir zunicht geworden, und ihre Erfüllung mußte ich aufschieben. Ich wollte Dir zum heutigen Tage ein sehr gelungenes Oelporträt von mir zuschicken: nun ist der Maler nicht fertig geworden, - ich konnte in der letzten Zeit nicht sitzen: jetzt wird der Maler, der fort muß, es erst in München ganz fertig machen, und von da aus im Laufe dieses Monates es Dir zusenden. Es wird sich in der neuen Wohnung recht gut ausnehmen.
Ich bin jetzt wieder allein, und mein Finger ist auch wieder soweit, daß ich ungestört wieder arbeiten könnte; es ist die höchste Zeit, nur die augenblicklichen Sorgen stören mich noch sehr! -
Die Frommann überraschte mich eines Tages durch einen Besuch aus Schlangenbad: sie erhielt vollen Aufschluß von mir über meine Beziehungen zu Karlsruhe, und hat sich nun dorthin zum Besuch der Großherzogin aufgemacht. Ich glaube jedoch nicht, daß sie etwas für mich erzielen kann. Meine ganze Zukunft beruht auf der Vollendung und dem Erfolge der Meistersinger. Deshalb kenne ich nichts so wichtiges, als diese Arbeit. - 
In Frankfurt sollte der Lohengrin mit Schnorr's gegeben werden: er kann nicht kommen; ob ich  o h n e  ihn mich um die Vorstellung selbst bekümmern werde, muß ich in diesem Augenblicke noch unentschieden lassen. 
Nun, liebe Minna, zürne mir nicht um dieses unerfreulichen Briefes willen! Es wird bald besser werden. Für heute nimm den herzlichen Wunsch, daß Du zu Deinem Geburtstage Dich wenigstens wohl und kräftig fühlen mögest! Ich hoffe es sehnlich und grüße Dich innig!
Dein            
Richard

 

Bilder:
  1. Richard Wagner an Minna Wagner. Schuster & Loeffler, Berlin und Leipzig 1908. 

Quellen:
  1. Brief 251. In: A. a. O.: Briefe in Originalausgaben. Zweiter Teil, S. 295 ff. 

Links:

Bibliografie:
    • Richard Wagner an Minna Wagner. Zweiter Band. Schuster & Loeffler, Berlin und Leipzig 1908. 
    • Richard Wagners Briefe in Originalausgaben. Erste Folge, Band 1, Teil I / II. Richard Wagner an Minna Wagner. Verlag von Breitkopf & Härtel, Leipzig (1908) 1912. 


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