Brief vom 11. Juni 1853
Richard Wagner an Otto Wesendonck
Ein Brief von Richard Wagner an Otto Wesendonck aus dem Jahre 1853.
Seit dem Herbst 1851 verhandelte Wagner wegen der Aufführung des Tannhäuser in Berlin. Jedoch erst am 07.01.1856 kam die Aufführung zustande. Wagner braucht mal wieder Geld, um sein neues Vorhaben, die Musik zum Ring, tatkräftig angehen zu können. Er bekam die Unterstützung und antwortete in einem Brief vom 20. Juni 1853, dem die Sonate für das Album von Frau M. W. als Geschenk beilag.
Lieber Freund!
Wäre mir Alles gegangen, wie es sich Anfangs vorigen Winters anliess, so würde ich jetzt mit dem Nöthigen zur Freiheit ausgestattet sein. Sie wissen aber, dass ich vor Allem zunächst auf die Berliner Tantième verzichten musste. Dieser Ausfall müsste mir vorläufig ersetzt werden, wenn meine Lage in ein angenehmes Gleichgewicht kommen, und ich meines Lebens erträglich froh sein soll.Dass ich Berlin jetzt nur desto fester in das Auge gefasst habe, und nichts als Geduld brauche, um dort an mein Ziel zu gelangen, wissen Sie auch: dass ich aber eben j e t z t der Vortheile am bedürftigsten bin, die mir aus dem Gelingen jenes Planes erwachsen sollen, das fühle ich gerade im Angesicht meines neuen künstlerischen Vorhabens sehr stark. Es gilt also, eines Theiles jener erwarteten Vortheile mich jetzt geniessen zu lassen, und das soll auf gut deutsch heissen: es wäre mir sehr erwünscht, wenn ich auf den, aus der einstigen Aufführung meiner Opern in Berlin verhofften Gewinn, eine Summe geliehen erhielte.Geht Alles gut - und es muss, denn ich gebe Berlin nicht eher zu als bis ich des Gutgehens (durch Liszt oder mich selbst) gewiss bin - so kann mir die Berliner Tantième im ersten Jahre sehr leicht zweitausend Thaler einbringen: (in Leipzig hat man jetzt - bei sehr schlechter Aufführung - den Tannhäuser seit Februar einige zwanzig mal gegeben!) - Wollen Sie mir diese Summe, auf das immerhin Ungewisse meines einstigen Reüssirens hin, jetzt vorschiessen, so erfüllen Sie Alles das, was ich eben wünschen kann. - Meine übrigen Einnahmen werden sich - wie ich auch neuerdings wieder aus eingegangenen Bestellungen ersehe - immer so halten, dass ich des Weiteren eines ungestörten Auskommens sicher sein darf, und an eine fortlaufende Unterstützung von Ihnen, lieber Freund, habe ich unter keinen Umständen gedacht.Alles liegt mir daran, mich jetzt recht gründlich zu erfrischen, um - nach fast fünfjähriger Pause im Musikmachen - den nöthigen jugendlichen Muth zu gewinnen, mit Lust und Heiterkeit mich an meine neue Riesenaufgabe zu machen. Ich habe einen ganzen grossen Lebensabschnitt hinter mir zu schliessen, um einen neuen, wichtigen zu beginnen: dazu brauch' ich neue Lebenseindrücke; gewisse Wünsche dürfen nicht mehr - durch Unerfülltsein - marternd in mir leben; ich bedarf einer gewissen Sättigung von Aussen her, um dann durch einen schönen Gegendruck mein Inneres freudig wieder nach aussen werfen zu müssen. So muss ich ganz ungehindert sein, reisen können, Italien geniessen, vielleicht auch Paris wieder besuchen dürfen, um dann zu der angenehmen Ruhe zu kommen, die mir jetzt eben fehlt, wo ich zu sehr von ungestillten Wünschen erfüllt bin. Das Weitere findet sich dann von selbst.Nur soviel sage ich noch, dass ich mir jetzt in keiner Weise denken kann, genöthigt zu werden, Ihre Hülfe ferner wieder in Anspruch zu nehmen. Es liegt mir daher daran, dass Sie mir eben jetzt und alsbald die genannte Summe in Form eines Darlehens auf meine künftigen Berliner Einnahmen zukommen lassen. Diese Form wird mich am meisten befriedigen; und wenn auch Sie als Geschäftsmann nicht zuviel auf sie geben werden, so ist es mir doch Ernst damit, und, wenn Sie mich lieben, so gestatten Sie mir, diese Form als eine wirkliche Verpflichtung für mich enthaltend anzusehen. -Nun sage ich Ihnen noch herzlichen Dank für Ihre freundschaftlichen Versicherungen: sie haben mir wahre Freude gemacht! Bestes Wohlergehen wünscht
IhrRichard Wagner.Zürich, 11. Juni 1853.
(In Posen haben sich zwei Offiziere wegen des Tannhäuser duelliert: so ruinire ich am Ende noch dem König von Preussen seine Armee!)
Bilder:
- Golther, Wolfgang: Briefe Richard Wagners an Otto Wesendonk. 1852 - 1870. Berlin 1905.
Quellen:
- Golther, Wolfgang (Hrsg.): Brief 2. In: Briefe Richard Wagners an Otto Wesendonk. 1852 - 1870. Verlag von Alexander Duncker, Berlin 1905, S. 5 ff.
Links:
Bibliografie:
- Golther, Wolfgang (Hrsg.): Briefe Richard Wagners an Otto Wesendonk. 1852 - 1870. Verlag von Alexander Duncker, Berlin 1905.
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