Worte gesprochen von Alfred Roelker
⌂ 1889
Am Sarge von Frau Wilhelmine Wesendonck
Am 24.08.1889 starb die Frau von Hugo Wesendonck, Johanna Wilhelmina, geb. Schramm (* 1820, Krefeld - † 1889, Ems). Hugo ist ein Bruder von Otto Wesendonck.
Die Trauerfeierlichkeiten fanden nach der Überführung nach New York am 16.09.1889 im Hause der Familie Wesendonck statt. Die Rede zur Todenfeier hielt der langjährige Freund und ebenfalls ein Forty-Eighter wie Hugo, Carl Schurz. Im Anschluss wurde sie im Familiengrab auf dem Green-Wood Cemetery in Brooklyn beigesetzt. Hier sprach das Vorstandsmitglied (Board of Directors) der Germania Life Insurance Company, Alfred Roelker, zu den Versammelten. Das Solo-Quartett des Deutschen Liederkranz begleitete die Trauerfeier stimmungsvoll.
Worte gesprochen am Sarge von Frau Wilhelmine Wesendonck, 1889. [1]
Worte gesprochen
Am Sarge von
Frau Wilhelmine Wesendonck,
geboren zu Crefeld am 10ten April 1820,
gestorben zu Ems am 24sten August 1889
und auf Greenwood Cemetery zur Ruhe bestattet
am 16ten September l889.
Frau Wilhelmine Wesendonck,
geboren zu Crefeld am 10ten April 1820,
gestorben zu Ems am 24sten August 1889
und auf Greenwood Cemetery zur Ruhe bestattet
am 16ten September l889.
Worte gesprochen
von
A l f r e d R o e l k e r.
Solo-Quartett.
"Wie sie so sanft ruh'n".
Als wir von unserer theuren Freundin vor wenigen Monaten Abschied nahmen, drängte es Jeden von uns, ihr Ausdrücke der Liebe und Verehrung mit auf den Weg zu geben. Manche von uns mußten fühlen, daß ihr leidender Zustand das Wiedersehn ungewiß ließ.
Wenn uns damals Worte arm schienen, um dem wehmüthigen Gefühl des Abschieds, wie unsern Hoffnungen und Wünschen Ausdruck zu verleihen, wieviel mehr jetzt, wo es den letzten Scheidegruß für ein so edles Leben gilt.
Auch darf ich kaum versuchen, die Thränen des Gatten und der Kinder durch Trostsprüche zu lindern. Selbst der Schmerz hat seine rechte; in ihm liegt die höchste Anerkennung der edlen dahingeschiedenen Seele, findet die Größe des Verlustes ihren Ausdruck. Ich wende mich lieber im Gedanken an die Verblichene an die Worte der Dichterin, die mit Erwartung der großen dunkeln Zukunft ausruft:
"Vereinet mich dem unsichbaren ChorWir Freunde, die in öfterm Umgange Zeugen der edlen Gesinnung und schönen Herzensgüte unserer jetzt verschiedenen Freundin waren, haben ihren Einfluß auf unser Leben und Denken gefühlt.
Unsterblicher Geschied'ner, die von Neuem leben
In Herzen, edler durch Verkehr mit ihnen."
Wo es gutes zu thun, Schönes zu fördern, Schmerzen und Sorgen zu lindern galt, war sie mit warmem Herzen und hülfreicher Hand stets bereit. Ich darf hier erinnern, was ihre Thätigkeit beim Schaffen eines so bedeutenden und wohlthätigen Instituts wie des Deutschen Hospitals der Stadt New York war, sowie im Deutschen Frauenverein. Was sie in stiller Wohlthätigkeit und im häuslichen Kreise gewirkt, entzieht sich öffentlicher Besprechung. Und so natürlich war ihr diese Thätigkeit und dieses Streben, so bescheiden war sie in ihren Ansprüchen um Anerkennung, daß sie bei kürzlicher Gelegenheit daran erinnert werden mußte, wie bedeutenden Antheil sie an der Schöpfung des genannten Hospitals hatte, unter dessen Gründern sie doch in erster Reihe genannt werden muß.
So schuf sie eine Atmosphäre waltender Liebe und fruchtbaren Strebens, deren Einfluß sich Keiner in ihrem Kreise entziehen konnte.
Wenn sie hier, fern vom Geburtslande, wohin sie den Gemahl in frühen trüben Tagen mit ihren jungen Kindern begleitete, an allem regen intellektuellen Leben und Streben Antheil nahm und gern hier bis zuletzt ihre Heimath fand, so blieb sie doch immer die deutsche Frau, die alle die Eigenschaften in hohem Grade besaß, die wir gern mit dem Ideal deutscher Weiblichkeit verbinden, und im Herzen blieb ihr die Liebe zu der alten Heimath. Dort unter den Lieben in der alten Heimath, in den schönen Fluren nahe des Rheins, war es ihr vergönnt ihr segensreiches Leben zu enden; hier in der Adoptivheimath, an der Seite des geliebten Sohnes, wünschte sie ihre Ruhestätte, und hier wird sie jetzt zur letzten Ruhe niedergelegt. Ein so vollkommenes Leben konnte nicht schöner abgeschlossen sein.
Wenn wir nun heute mit schmerzlicher Wehmuth den Abschied nehmen, der uns bei lieben Freunden immer zu früh kommt, so ist es doch zugleich mit einem Gefühl der Dankbarkeit im Herzen für ein so wohl verbrachtes Dasein, und daß es auch uns vergönnt war, in der Nähe dieses edlen Lebens zu verweilen; zu dem Kreise gehört zu haben, dem es geschenkt und durch manches Jahr so schöner Wirksamkeit erhalten war.
Nun wo wir nur noch zum Abschied die Blumen auf die Grabstätte legen dürfen, wird die Erinnerung in uns fortblühen; ein schönes Bild eifrigen Strebens und fruchtbarer Wirksamkeit bleibt in unserm Herzen bei dem Gedanken an Frau Wilhelmine Wesendonck zurück.
Ich lese im Anschluß an diese Gedanken die Lieblingsstelle der Verstorbenen aus Schefer's Laienbrevier, welche sie besonders schätzte:
"Wer nicht in seinen Lieben leben kann,
Zur Zeit wenn sie ihm fern, ja wenn sie todt sind,
Der hat sie oft verloren! Aber der
Besitzt die Freunde, die Geliebten, immer
Unraubbar gegenwärtig, schön, genußreich,
Wer fort in ihrem Geist und Eigenwesen
Die Tage lebt, Begebenheiten gern
So anschaut, so belächelt, wie sie würden.
So that ich oft; und wenn die stillen Freunde
Aus mir ein Wort, ein Werk belächelten,
Mit meiner Kraft laut mit einander sprachen,
Oft ihre Freude hold aus mir bezeugten -
Dann hab' ich laut geweint! ihr stilles Leben
In mir, gleich einem Wunder, angestaunt
Und tief empfunden. Also bleiben sie
Bei mir durch alle Tage bis an's Ende."
Inhalt des Heftes:
- Worte gesprochen von Carl Schurz
- Worte gesprochen von dem Gatten
- Worte gesprochen von Alfred Roelker
- Aus der New Yorker Staats-Zeitung
Bilder:
Quellen:
- A. a. O.: Worte gesprochen.
Bibliografie:
- Worte gesprochen am Sarge von Frau Wilhelmine Wesendonck, geboren zu Crefeld am 10ten April 1820, gestorben zu Ems am 24sten August 1889 und auf Greenwood Cemetery zur Ruhe bestattet am 16ten September 1889.
- Schefer, Leopold: Laienbrevier. Veit & Comp. Verlag, Leipzig 1834.
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