Worte gesprochen von Carl Schurz
⌂ 1889
Am Sarge von Frau Wilhelmine Wesendonck
Am 24.08.1889 starb die Frau von Hugo Wesendonck, Johanna Wilhelmina, geb. Schramm (* 1820, Krefeld - † 1889, Ems). Hugo ist ein Bruder von Otto Wesendonck.
Die Trauerfeierlichkeiten fanden nach der Überführung nach New York am 16.09.1889 im Hause der Familie Wesendonck, № 69 West 55ste Straße, statt. Die Rede zur Todenfeier hielt der langjährige Freund und ebenfalls ein Forty-Eighter wie Hugo, Carl Schurz. Im Anschluss wurde sie im Familiengrab auf dem Green-Wood Cemetery in Brooklyn beigesetzt. Hier sprach das Vorstandsmitglied (Board of Directors) der Germania Life Insurance Company, Alfred Roelker, zu den Versammelten. Das Solo-Quartett des Deutschen Liederkranz begleitete die Trauerfeier stimmungsvoll.
Worte gesprochen am Sarge von Frau Wilhelmine Wesendonck, 1889. [1]
Worte gesprochen
Am Sarge von
Frau Wilhelmine Wesendonck,
geboren zu Crefeld am 10ten April 1820,
gestorben zu Ems am 24sten August 1889
und auf Greenwood Cemetery zur Ruhe bestattet
am 16ten September l889.
Frau Wilhelmine Wesendonck,
geboren zu Crefeld am 10ten April 1820,
gestorben zu Ems am 24sten August 1889
und auf Greenwood Cemetery zur Ruhe bestattet
am 16ten September l889.
Worte gesprochen
von
C a r l S c h u r z.
Solo-Quartett.
"Es ist bestimmt in Gottes Rath".
Von diesem Sarge, um den wir hier trauernd versammelt stehen, kann in Wahrheit das Seltene gesagt werden, daß er für Alle, welche die liebe Dahingeschiedene gekannt haben, nur schöne, wohlthuende Erinnerungen umschließt. Seit wir vor 37 Jahren zum ersten Male zusammenkamen, sind ich und die Meinigen ihr stets in warmer Freundschaft verbunden gewesen. Und diese Freundschaft ging auf die Kinder der beiden Familien über, so daß die Freundin, nachdem ich das Beste meines Lebens verloren, den Meinigen wie eine treue mütterliche Schwester blieb. Ich fühle daher, als müßte ich an sie denken und sie betrauern, wie man ein dahingegangenes Mitglied des eigenen Familienkreises betrauert.
Das Schicksal gönnt uns nicht oft das Glück, auf unsern Lebenswegen einer so durchaus sonnigen und an sich so harmonischen Natur zu begegnen. In den Tagen ihrer Frische war sie eine auffallend schöne Frau, aber nicht allein schön dem Auge, sondern in einem höheren und edleren Sinne. Hätten ihr alle Reize der äußeren Erscheinung gefehlt, so würde sie doch den Einluß wahrer Schönheit geübt haben, wie sie es wirklich bis zu ihrem Ende that. Denn es war ihrem Wesen gegeben, alles, was die Natur, die Kunst, der gesellschaftliche Umgang mit Menschen, die Familie, die Freundschaft, ihr an Freude bot, voll in sich aufzunehmen und herzlich zu genießen, um dann das eigene innere Glück vollauf ihre Umgebung wieder auszustrahlen. Sie war so rein und edel in ihren Anschauungen und Grundsätzen, so lebhaft in ihrem Interesse für alles Gute, so warm in ihren Sympathieen, so treu in ihrer Anhänglichkeit, so mild in ihrem Urtheil, so unermüdlich hülfsbereit bei dem Anblick des Unglücks, so kindlich in dem köstlichen, ewig hellen Frohsinn ihres Gemüths, - so reich an ächt weiblicher Verständigkeit und heiterer Güte, daß es fast unmöglich schien in ihrer Gegenwart betrübt zu sein.
Wir alle sehen sie noch vor uns in ihrer rastlosen Thätigkeit, die in den letzten Jahren ihres Lebens zuweilen weit über das Maß ihrer Kräfte hinauszugehen drohte. Sie konnte nicht ruhig sitzen, die Hände im Schooß, wo es Gutes zu thun, oder Trost, Freude und Glück zu schaffen gab. Nicht etwa der Ehrgeiz, sich hervorzuthun, trieb sie dazu, denn sie war so bescheiden, daß es selbst ihren näheren Freunden geschehen konnte, ihre Leistungen bei Gelegenheit allgemeineren Zusammenwirkens zu übersehen, und daß sie sich ruhig gefallen ließ, wenn das, was sie gethan, Anderen zugeschrieben wurde. Was sie antrieb, war nur der Drang des edlen Herzens, welches das beste eigene Glück in dem Glück Anderer findet. So ist sie ihren Lebenspfad gegangen wie ein Sonnenblick, rings um sich her Licht und Wärme spendend; so klar in ihrem Wandel und so wahrhaft und natürlich in der Freudigkeit ihrer Herzensgüte, daß Jeder, der ihr nahe kam, ihr bloßes dasein als eine Wohlthat empfand. Ich glaube nicht, daß sie jemals einen Feind, oder auch nur einen Neider gahabt hat. Wer hätte ihr, die Allen so wohl wollte, Uebles wollen können? Wer konnte ihr das Glück mißgönnen, welches sie niemals auf Kosten Anderer, sondern in der Beglückung Anderer so rein und mit so liebenswürdigem Frohsinn genoß?
Sie liebte das Leben, und das Leben liebte sie. Es war als ob sie es nicht loslassen wollte. Schon lange, ehe der Tod an sie herantrat, ging ihre Kraft auf die Neige. Jetzt wissen wir, daß jede weniger spannkräftige Natur längst würde unterlegen sein. Aber so lange sie athmete, wollte weder sie noch ihre Lieben daran glauben, daß sie bald sterben könnte. Ihr heiterer Muth schien immer wieder die wachsende Schwäche zu überwinden; bis zum letzten Augenblick war ihr das Leben ein Genuß und nie versiechte der Quell der Hoffnung in ihrem Herzen. Ihr Tod, als er endlich kam, war wie die stille Verdunkelung eines Lichtes, dessen Flamme erlöschen mußte, weil das Oel, das sie genährt, bis zum letzten Tropfen ausgebrannt war.
Aber ob das Licht nun auch unseren Sinnen entschwunden ist, in unserem Herzen wird es nicht erlöschen. Was sie ihrem Gatten und ihren Kindern gewesen ist, vermag ich nicht zu beschreiben. Der Versuch würde in diesem Augenblick fast eine Grausamkeit sein der verwaisten Familie gegenüber, die mich jetzt hört. Auch will ich nicht herzählen, wie viel sie sich durch edle Bemühungen um ihre Landsleute im engeren und weiteren Kreise verdient gemacht hat. Das Gedächtniß davon lebt weiter. Festhalten wollen wir das schöne Bild ihres Lebens, das sie uns hinterlassen hat, - eines Lebens, welches in köstlicher Jugendlichkeit des Gemüths blühte bis in's hohe Alter hinauf; eines Lebens, das ihr selbst und Allen, die ihr nahe kamen, nur stete Freude und ein Segen war bis zu seinem letzten Tag. Dies schöne Bild leuchtet und fort und fort, und wir können es nicht anschauen, ohne die Rührung, welche die menschliche Seele erhebt und veredelt. Gesegnet sei ihr Andenken!
Inhalt des Heftes:
- Worte gesprochen von Carl Schurz
- Worte gesprochen von dem Gatten
- Worte gesprochen von Alfred Roelker
- Aus der New Yorker Staats-Zeitung
Bilder:
Quellen:
- A. a. O.: Worte gesprochen.
Bibliografie:
- Worte gesprochen am Sarge von Frau Wilhelmine Wesendonck, geboren zu Crefeld am 10ten April 1820, gestorben zu Ems am 24sten August 1889 und auf Greenwood Cemetery zur Ruhe bestattet am 16ten September 1889.
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