04.02.2013

Mathilde Wesendonck † - 1903

Brandenburgia. Monatsblatt der Gesellschaft für Heimatkunde der Provinz Brandenburg zu Berlin. XI. Jahrgang 1902 1903. Berlin 1903Mathilde Wesendonck †


1903

Nekrolog / Nachruf 1902


In "Brandenburgia." Monatsblatt der Gesellschaft für Heimatkunde der Provinz Brandenburg zu Berlin, XI. Jahrgang 1902 1903 wird in der Totenliste des Jahres 1902 Mathilde Wesendonck durch den Vorsitzenden, dem Geheimen Regierungsrat externer Link Wikipedia Ernst Friedel (* 1837 - † 1918), gedacht. [1]

Brandenburgia. Monatsblatt der Gesellschaft für Heimatkunde der Provinz Brandenburg zu Berlin. XI. Jahrgang 1902 1903. Berlin 1903, S. 260
Brandenburgia. Monatsblatt der Gesellschaft für Heimatkunde der Provinz Brandenburg zu Berlin.
XI. Jahrgang 1902 1903. Berlin 1903, S. 260. (2)


Brandenburgia. Monatsblatt der Gesellschaft für Heimatkunde der Provinz Brandenburg zu Berlin. XI. Jahrgang 1902 1903. Berlin 1903, S. 264
Brandenburgia. Monatsblatt der Gesellschaft für Heimatkunde der Provinz Brandenburg zu Berlin.
XI. Jahrgang 1902 1903. Berlin 1903, S. 264. (3)


A. Persönliches.
Totenliste

V. Mathilde Wesendonck †

V. Mathilde Wesendonck †. Fern vom lauten Getriebe des Lebens, in ihrer stillen Sommervilla am Ufer des Gmundener Sees, ist Mathilde Wesendonck, 74 Jahre alt am 5. d. M. gestorben, die Besitzerin einer der kostbarsten privaten Kunstsammlungen Berlins und einst, vor fünfzig Jahren, eine vertraute Freundin Richard Wagners. Die Kunstschätze der Frau Wesendonck wurden noch in den letzten Wintern weiteren Kreisen der Reichshauptstadt gelegentlich einer Veranstaltung zu wohltätigem Zweck bekannt; von Mathilde Wesendoncks Freundschaftsbündnis mit Wagner wissen alle Verehrer der Tonkunst. Sie selbst hat Erinnerungen an ihr Zusammensein mit Richard Wagner in Zürich veröffentlicht, und eine Ergänzung dazu bildet der inhaltreiche Briefwechsel ihres Gatten Otto Wesendonck mit Wagner. Am schönsten aber bleibt Mathilde Wesendoncks Name verewigt durch eine Anzahl von Kunstwerken, die sie gemeinsam mit Richard Wagner geschaffen hat: Zu seinen Liedern „Schmerzen“, „Stehe still“, „Der Engel“, „Träume“ und „Im Treibhaus“ schrieb Mathilde Wesendonck den Text. Die Brandenburgia aber erinnert sich dankbar daran, dass es ihren Mitgliedern unter Führung des Herrn externer Link Wikipedia Professor Dr. Galland[1] vergönnt war, das vollendet künstlerisch und dabei doch traulich ausgestattete Heim der verstorbenen hochsinnigen Frau, In den Zelten Nr. 21 am 3. Mai 1899 (vgl. Brandenburgia VIII S. 118 – 122) zu besuchen. Es wird Ihnen von Interesse sein, bei dieser Gelegenheit etwas über das Verhältnis Richard Wagners zu seiner ersten Gattin Minna geborenen Planer und zu seiner Freundin Mathilde Wesendonck zu erfahren.
Hierüber verbreiten einige Briefe Wagners, die G. Manz[2] in der „Tgl. Rdsch.“ eben der Öffentlichkeit übergiebt, vielfach neues Licht. Sie lassen uns das Fühlen und Handeln der drei Menschen mehr, als es bisher möglich war, nachempfinden und verstehen. Wir heben aus der Veröffentlichung folgende Partien aus einem im August 1858 aus Genf an seine Schwester Klara gerichteten Brief Wagners hervor, in denen er sich über seine Ehe mit Minna und seine Beziehungen zu Mathilde Wesendonck ausspricht:
„Meine liebe Klär! Ich versprach Dir noch etwas Näheres über die Veranlassungen zu dem entscheidenden Schritte, in dem Du mich jetzt begriffen siehst. Ich theile Dir das Nöthige mit, damit Du auch sonstigem Geschwätze, gegen das ich zwar recht gleichgiltig bin, entgegnen kannst.
Was mich seit sechs Jahren erhalten, getröstet und namentlich auch gestärkt hat, an Minnas Seite, trotz der enormen Differenzen unseres Charakters und Wesens, auszuhalten, ist die Liebe jener jungen Frau, die mir Anfangs und lange zagend, zweifelnd, zögernd und schüchtern, dann aber immer bestimmter und sicherer sich näherte. Da zwischen uns nie von einer Vereinigung die Rede sein konnte, gewann unsere tiefe Neigung den traurig wehmüthigen Charakter, der alles Gemeine und Niedere fern hält und nur in dem Wohlergehen des Anderen den Quell der Freude erkennt. Sie hat seit der Zeit unserer ersten Bekanntschaft die unermüdlichste und feinfühlendste Sorge für mich getragen und alles, was mein Leben erleichtern konnte, auf die muthigste Weise ihrem Manne abgewonnen. Dieser konnte der offenen Unumwundenheit seiner Frau gegenüber nicht anders, als bald in wachsende Eifersucht verfallen. Ihre Grösse bestand nun darin, dass sie stets ihren Mann von ihrem Herzen unterrichtet hielt und ihn allmälig bis zur vollsten Resignation auf sie bestimmte. Mit welchen Opfern und Kämpfen dies nur geschehen konnte, lässt sich leicht ermessen: was ihr diesen Erfolg ermöglichte, konnte nur die Tiefe und Erhabenheit ihrer, von jeder Selbstsucht fernen Neigung sein, die ihr die Kraft gab, ihrem Manne sich in solcher Bedeutung zu zeigen, dass dieser, wenn sie endlich mit ihrem Tode drohen konnte, von ihr abstehen und seine unerschütterliche Liebe zu ihr dadurch bewähren musste, dass er sie selbst in ihrer Sorge für mich unterstützte. Es galt ihm endlich, sich die Mutter seiner Kinder zu erhalten, und um dieser willen – die ja uns beide auch am unüberwindlichsten trennten – fügte er sich in seine entsagende Stellung. So, während er von Eifersucht verzehrt war, wusste sie ihn wieder so für mich zu interessieren, dass er – wie Du weisst – mich oft unterstützte; als endlich galt, mir nach Wunsch ein Häuschen mit Garten zu verschaffen, war sie es, die es mit den unerhörtesten Kämpfen über ihn gewann, für mich das schöne Grundstück neben dem seinigen zu kaufen. Das Wundervollste aber ist, dass ich eigentlich nie eine Ahnung von diesen Kämpfen hatte, die sie für mich bestand: ihr Mann musste sich, ihr zu Liebe, mir stets freundlich und unbefangen zeigen; nicht eine finstere Miene durfte mich aufklären, nicht ein Haar durfte mir gekrümmt werden: heiter und wolkenlos musste über mir der Himmel sich wölben, sanft und weich sollte mein Schritt sein, wo ich ging. Diesen unerhörten Erfolg hatte diese herrliche Liebe des reinsten, edelsten Weibes; und diese Liebe, die stets unausgesprochen zwischen uns blieb, musste sich endlich auch offen enthüllen, als ich vorm Jahr den „Tristan“ dichtete und ihr gab. Da zum ersten Male wurde sie machtlos und erklärte mir, nun sterben zu müssen!
Bedenke, liebe Schwester, was mir diese Liebe sein musste nach einem Leben von Mühen und Leiden, von Aufregungen und Opfern wie dem meinigen! – Doch wir erkannten sogleich, dass an eine Vereinigung zwischen uns nie gedacht werden dürfe: somit resignierten wir, jedem selbstsüchtigen Wunsche entsagend, litten, duldeten, aber – liebten uns. –“
Die willkürliche Oeffnung eines Briefes Wagners durch seine Frau führte dann den Bruch zwischen den Gatten herbei, und Wagner entschloss sich, hinfort getrennt von seiner Frau zu leben, wenn auch „in Güte und Liebe“, wie er selbst seiner Schwester schreibt.
Ich schliesse dieses Kapitel in der Hoffnung und mit dem Wunsche, dass das Haus und die Galerie Wesendonck in dem jetzigen Zustande der Stadt Berlin erhalten bleiben möge. 

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[] Anm. von TS. 
1 Georg Galland (* 1857 - † 1915)
2 Gustav Manz (* 1868 - † 1931)   

 

Bilder:
  1. Vergrößern Gesellschafts-Vorstand (Hrsg.): "Brandenburgia." Monatsblatt der Gesellschaft für Heimatkunde der Provinz Brandenburg zu Berlin. XI. Jahrgang 1902 1903. Verlag von P. Stankiewicz' Buchdruckerei, Berlin 1903. 
  2. Ebenda. S. 260. 
  3. Ebenda. S. 264.  

Quellen:
  1. externer Link Wikipedia Friedel, Ernst: Mathilde Wesendonck †. In: Gesellschafts-Vorstand (Hrsg.): "Brandenburgia." Monatsblatt der Gesellschaft für Heimatkunde der Provinz Brandenburg zu Berlin. Unter Mitwirkung des Märkischen Provinzial-Museums. XI. Jahrgang 1902 1903. Verlag von P. Stankiewicz' Buchdruckerei, Berlin 1903, S. 260 / 264 - 266.  

Links:

Bibliografie:
  • Gesellschafts-Vorstand (Hrsg.): "Brandenburgia." Monatsblatt der Gesellschaft für Heimatkunde der Provinz Brandenburg zu Berlin. Unter Mitwirkung des Märkischen Provinzial-Museums, herausgegeben vom Gesellschafts-Vorstande. XI. Jahrgang 1902 1903. Druck und Verlag von P. Stankiewicz' Buchdruckerei, Berlin 1903. 


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