10.08.2010

In der Wiege hört' ich singen

Mathilde Wesendonck: Gedichte, Volksweisen, Legenden und Sagen. Verlag der Dürr'schen Buchhandlung, Leipzi 1874Rheinlied
In der Wiege hört' ich singen


1870, 1874

Gedicht


Dies ist ein Gedicht von Mathilde Wesendonck, welches in ihrem Buch Gedichte, Volksweisen, Legenden und Sagen (Patriotische Lieder. 1870, № 1) von 1874 veröffentlicht wurde.
 
In diesem Gedicht  geht sie auf die Napoleonischen Kriege ein, die nach den Revolutionskriegen seitens Frankreichs in Europa geführt wurden, hier vor allem gegen die deutschen Länder, insbesondere der Feldzug gegen Preußen, der dann in den Befreiungskrieg mündete.

Gemeint ist der Vierte Koalitionskrieg, 1806–1807, Frankreich gegen Preußen, Russland, später auch Großbritannien, Schweden. Im Juli 1806 haben sechzehn deutsche Staaten auf Initiative Napoleons den Rheinbund gegründet, der den Austritt aus dem Heiligen Römischen Reich und eine Konföderation mit Frankreich beinhaltete. Preußen fühlte sich durch diese Entwicklungen brüskiert und beschloss, gegen Frankreich Krieg zu führen. Dem Ultimatum an Frankreich, seine Truppen hinter den Rhein zurückzuziehen, folgte am 9. Oktober 1806 die Kriegserklärung. Napoleon hatte dies vorausgesehen und eine starke Armee an der Grenze Bayerns zu Thüringen versammelt. 

 
Patriotische Lieder. 1870 - 1.

In der Wiege hört' ich singen.

 
In der Wiege hört' ich singen
Schon das Lied von Vater Arndt ,
Wie es vor der Welschen  Raublust
Uns aus treu'ster Brust gewarnt.

Doch des Rheinstroms grüne Fluthen
Kühl umspülten deutsches Land,
Blüh'nde Dörfer, reiche Städte
Schmückten seinen freien Strand.

Schon wähnt' ich das Lied verklungen
Wie ein Seufzer banger Brust,
Den ein Greis dem Gram entrungen,
Als ihm schwand des Lebens Lust.

Plötzlich da aus heiterm Himmel
Kriegslärm schallt vom Seinestrand,
Und des Bonaparte Söldner
Fallen frech in deutsches Land.

Und es zählen die Verruchten
Auf der Deutschen Beistand gar,
Doch Germania, die Mutter,
Keinen Judas sie gebar.

Und es zählen die Verruchten
Auf der Deutschen Zwist und Streit,
Doch Germanias edle Söhne
Eins nun sind durch Einigkeit.

Und es wähnen die Verruchten
Schlecht zum Kampfe dich bereit,
Deutsches Volk, groß und geduldig,
Tausch' nun Frieden um in Streit!

Nimmer warst du groß wie heute,
Nimmer warst du stark wie heut',
Vaterland, fühl' deine Größe,
Deine Stärk' durch Einigkeit!

An dem Muthe deiner Helden
Brach des Römers stolze Macht,
Und den ersten Bonaparte
Hat ihr Arm zu Fall gebracht.

Auf denn, ford're deine Rechte
Von dem ungerechten Krieg,
Der zu schaden sich erfrechte,
Sieh, er selbst führt dich zum Sieg!

Auf! Erhebe dich zum Kampfe,
Zieh' zur letzten Völkerschlacht,
Sieger dann, dictir' den Frieden
Der den Krieg unmöglich macht!

Ja, das Rheinlied uns'res Alten,
Ja, das Lied vom deutschen Rhein,
Deutsches Volk, du wirst es halten,
Und der Sieg wird mit dir sein! — [1]

 

Bilder:
  1. Vergrößern Wesendonck, Mathilde: Gedichte, Volksweisen, Legenden und Sagen. Verlag der Dürr'schen Buchhandlung, Leipzig 1874.

Quellen:
  1. Wesendonck, Mathilde: Gedichte, Volksweisen, Legenden und Sagen. Verlag der Dürr'schen Buchhandlung, Leipzig 1874, S. 99 - 101.

Bibliografie:
  • Wesendonck, Mathilde: Gedichte, Volksweisen, Legenden und Sagen. Verlag der Dürr'schen Buchhandlung, Leipzig 1874.
  • Wesendonck, Mathilde: Zeitgedichte von 1870 von Mathilde Wesendonck. In: VII. 84. II. Literarische Arbeiten von Mathilde Wesendonck: A. Manuskripte. Stadtarchiv Zürich.


Keine Kommentare: