10.08.2010

Moltke bei Gravelotte

Mathilde Wesendonck: Gedichte, Volksweisen, Legenden und Sagen. Verlag der Dürr'schen Buchhandlung, Leipzi 1874Moltke bei Gravelotte
Ein unübersehbar Menschenmeer


1870, 1874

Gedicht


Dies ist ein Gedicht von Mathilde Wesendonck, welches in ihrem Buch Gedichte, Volksweisen, Legenden und Sagen (Patriotische Lieder. 1870, № 6) von 1874 veröffentlicht wurde. 
 
In diesem Gedicht beschreibt sie die Schlacht bei Gravelotte (in der französischen Geschichtsschreibung auch Schlacht bei Saint-Privat) am 18. August 1870, auch „Dritte Schlacht von Metz“. 
Gravelotte ist eine französische Gemeinde im Département Moselle in der Region Grand Est (bis 2015 Lothringen). In der Kriegsgräberstätte Gravelotte ruhen Gefallene des Deutsch-Französischen Kriegs. Etwa 3.000 deutsche und französische Soldaten wurden hauptsächlich in Massengräbern beigesetzt. Gegenüber der Kriegsgräberstätte, wurde ein Museum zum Deutsch-Französischen Krieg eröffnet (2014). 
 
Helmuth Karl Bernhard von Moltke, 1800–1891, Chef des Generalstabs.    
Noch in seiner letzten Reichstagsrede am 14. Mai 1890 warnte er eindringlich vor einem neuen Krieg in Europa mit den Worten: „Meine Herren, es kann ein sie-benjähriger, es kann ein dreißigjähriger Krieg werden – und wehe dem, der zuerst die Lunte in das Pulverfaß schleudert!“

Eduard Friedrich Karl von Fransecky, 1807–1890, General der Infanterie.    
Mit einem 16-stündigen Gewaltmarsch seines Korps erreichte er noch rechtzeitig als entscheidende Reserve das Schlachtfeld von Gravelotte. Am 1. Dezember erhielt er das Kommando sämtlicher zwischen der Seine und Marne versammelten Streitkräfte. Vom 2. Januar bis 1. Februar 1871 führte er sein Korps, das der Süd-armee unter Manteuffel zugeteilt war, über die Côte d’Or und den Jura, um durch 16 Gefechte die Armee Bourbakis schließlich bei Pontarlier über die schweizerische Grenze zu zwingen.

 
Patriotische Lieder. 1870 - 6.

Moltke bei Gravelotte.

 
Ein unübersehbar Menschenmeer
Steht dort der Franken Säulenheer,
Dort auf den Höh'n von Gravelotte
Aus tausend Schlünden grinst der Tod.

Schon ist die Sonne am Untergeh'n,
Zum Tode ermattet die Preußen steh'n,
Und furchtbar gelichtet die Infanterie,
Auf dem rechten Flügel schon wanket sie.

Und näher rückt das Dunkel der Nacht,
Und mit ihm die dunkle Entscheidung der Schlacht,
Wie zählt da Moltke  voll Unruh' und Pein
Minuten und Stunden — es schwanken die Reih'n.

Südostwärts späht des Feldherrn Blick,
Die Pommern mit Fransecky  sind noch zurück,
An ihrem Kommen zur rechten Zeit
Da hängt ja des Tages, des Sieges Entscheid.

Da endlich! — Im raschen Vorwärts — hurrah!
Fransecky erscheint — die Pommern sind da!
Entgegen den Tapfern der Feldherr sprengt,
Und zieht seinen Degen, sein Roß dann er schwenkt.

Das ist ja das alte, bekannte Gesicht,
Die Vordern erkennen's, wer kennt es nicht?
Ein donnerd Hurrah ihm jauchzend erschallt,
Kein Geschützesdonner es überhallt!

„Der Generalstabschef im Handgemeng',“
Sie rufen's und stürzen ihm nach in's Gedräng',
Zum Wettlauf nun wird der Pommern Geh'n,
Sie stürmen die Hügel, sie stürmen die Höh'n!

Und als sie den Chef aus dem Feuer gebracht,
Da war auch der glorreichste Sieg vollbracht,
Und ruhig ritt Moltke zum König hin:
„Der Sieg ist unser — die Feinde flieh'n!“ [1]

 

Bilder:
  1. Vergrößern Wesendonck, Mathilde: Gedichte, Volksweisen, Legenden und Sagen. Verlag der Dürr'schen Buchhandlung, Leipzig 1874.

Quellen:
  1. Wesendonck, Mathilde: Gedichte, Volksweisen, Legenden und Sagen. Verlag der Dürr'schen Buchhandlung, Leipzig 1874, S. 110 - 111.

Bibliografie:
  • Wesendonck, Mathilde: Gedichte, Volksweisen, Legenden und Sagen. Verlag der Dürr'schen Buchhandlung, Leipzig 1874.
  • Wesendonck, Mathilde: Zeitgedichte von 1870 von Mathilde Wesendonck. In: VII. 84. II. Literarische Arbeiten von Mathilde Wesendonck: A. Manuskripte. Stadtarchiv Zürich.


Keine Kommentare: